Das Martyrium des Piotr O’Hey

Christina/ Januar 16, 2024/ Kultur

Die Freie Bühne Braunschweig hat unter der Regie von Andreas Hartmann das Stück „Das Martyrium des Piotr O’Hey“ einstudiert. Inspiriert vom polnischen Schriftsteller und Dramatiker Slawomir Mrozek gaben die Amateurschauspieler das Stück am 14.01.2024 in der Brunsviga zum Besten. Dabei hat die Satire des Polen nichts von ihrer Aktualität verloren. Vielleicht ist sie heute sogar aktueller als je zuvor. Bei aller Spielfreude und Engagement, fehlte es der Aufführung leider an Pep und der Plot ist vielleicht allzu vorhersehbar. Trotzdem, es war ein kurzweiliger Nachmittag und die Spielfreude war den Darstellern allemal anzumerken.

Das Martyrium der Zuschauer
Leider beginnt der Theaternachmittag mit einem Martyrium für die Zuschauer. Wir hatten über das Programmheft von der Brunsviga von der Veranstaltung erfahren. Freier Eintritt war angekündigt. Auch von einer Anmeldung oder gar Platzreservierung wurde nichts erwähnt. Als sich dann aber die Türen zum Saal öffnen, heißt es plötzlich, dass erst einmal die angemeldeten Gäste Platz nehmen dürften. Das führt unter den Wartenden zu großer Irritation, da eine gewünschte Anmeldung wohl nur den Verwandten und Bekannten der Schauspieler bekannt war.

Die Dame am Einlass bleibt jedoch standhaft, eine Diskussion entspinnt sich. Einige Gäste reagieren etwas ungehalten. Schließlich gibt es nur eine begrenzte Zahl von Sitzplätzen. Gleichzeitig hat sich aber eine ganz ansehnliche Zahl an Interessenten in der Brunsviga eingefunden. Als dann auch noch eine weitere Person des Ensembles dazukommt und auch den Rest der Wartenden gleich in den Saal lassen will, ist auf beiden Seiten die Verwirrung komplett. Schließlich finden aber alle Besucher einen Platz – das Schauspiel kann beginnen.

Die Handlung
Der Inhalt des Stückes ist schnell erzählt. Der Protagonist, der Familienvater Piotr O’Hey, sitzt gemütlich auf seinem Sofa und liest Zeitung. Um ihn herum kreist zum einen seine leicht hysterische Frau, die sich vernachlässigt fühlt. Andererseits ist da die eitle Schwägerin, die den Sonntagnachmittag sich schminkend auf einem Sessel verbringt.

Die Nörgeleien seiner Frau erträgt Piotr mit stoischer Ruhe. Auch als sein Sohn in das Wohnzimmer stürmt, in den Händen ein Spielzeuggewehr und schreibt: „Fangt die Terroristen“, bleibt der Familienvater ungerührt.

Kurz darauf ist es allerdings vorbei mit der Ruhe. Ein Beamter stört die nachmittägliche Ruhe in dem er verkündet, dass sich in Piotrs Badezimmer ein Tiger befände. Dann geht es Schlag auf Schlag: Erst will das Finanzamt eine Tigersteuer von Piotr erheben. Ein Vertreter der Akademie der Wissenschaft will den Tiger und dessen Verhalten untersuchen. Dieser interessiert sich dann aber mehr für die Schwägerin als für die Wildkatze. Und schließlich treten noch ein Zirkusdirektor und eine Staatssekretärin vom Auswärtigen Amt auf. Letztere fordert Piotr dazu auf, einem indischen Maharadscha, der sich auf Staatsbesuch befindet, die Tigerjagd im Badezimmer zu erlauben.

Als dann auch noch Piotrs Frau außer Rand und Bann gerät und im Animal Print Outfit mit Federboa den Tigertanz aufführt, ist das Leben des stillen Familienvaters, der eigentlich nur seine Zeitung lesen möchte, komplett auf den Kopf gestellt. „Gestern noch“, so fasst er zusammen, „las ich im Kreise meiner Familie die Zeitung. Jetzt sind sie hier zuhause, ich bin es nicht mehr. Unfrieden ist eingetroffen, die Zeit ist mir nicht wohl gesonnen.“

Der Transfer
Und die Moral von der Geschicht‘, lies am Sonntag deine Zeitung nicht. Vermutlich ist es heute nicht mehr die Zeitung, die die merkwürdigsten Geschichten hervorbringt. Dafür gibt es nun die sozialen Medien, die allerlei Skurriles in die Welt setzen. Je viraler die Erzählungen gehen, desto mehr wird hinzugedichtet. Und schließlich entsteht etwas, dass von allen Seiten in Besitz genommen wird; der Wissenschaft, der Politik, dem öffentlichen Interesse und dem Staat, kurz aller Welt. Kein Wunder, dass Piotr am Ende des Stücks auf bessere Zeiten hofft. Tun wir das nicht alle zur Zeit?

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