Bei den Göttern in Irmenseul

Christina/ April 4, 2021/ Alltagsgeschichten, Kultur

Wohin, wenn es mal nicht der Harz oder das Braunschweiger Land sein sollen? Lamspringe und Umgebung können da eine Alternative sein, denn hier lässt sich Kunst, Kultur und Wanderlust kombinieren. Auf einem Rundweg, der sowohl den Königsweg als auch den Rennstieg passiert, erliegen wir nicht nur unsere Champagnerlaune in Woltershausen sondern genießen Trüffel auf dem Hopfenberg und entdecken ein ehemaliges Brennereigut in Harbarnsen. Dabei steht der Tag zu Beginn unter keinem guten Stern: Erst hätte ich beinahe meinen Zug verpasst, dann verlieren wir auf der Fahrt zum Ausgangspunkt der Tour fast unsere Mitwanderin!

Bei den Göttern in Irmenseul
Kurz vor dem Bahnhof in Braunschweig springt meine Fahrradkette ab. Mist! Zum Glück bin ich früh dran. Schnell schiebe ich mein Rad vorwärts, schließe es an und entscheide mich dafür, mir auf dem Rückweg Gedanken über die Reparatur zu machen.

Meinen Zug erwische ich also noch rechtzeitig. In Seesen werde ich abgeholt, wir fahren weiter nach Lamspringe. Dort treffen wir uns an der Tankstelle mit Susanne. Wir fahren weiter in zwei Autos. Logisch, ist ja Lockdown. Plötzlich guckt Christian in den Rückspiegel und bemerkt, dass Susannes Auto nicht mehr zu sehen ist. Oops! Schon klingelt das Handy. Klar, Susanne ist ortskundig und ist bereits am Sportplatz. Also, schnell wenden und nichts wie hinterher. Einmal brauchen wir noch Hilfe von Einheimischen, beim nächsten Handyklingeln sind wir vor Ort.

Gleich zu Beginn geht es hoch hinaus. Wir starten am Sportplatz in Irmenseul und erklimmen die Irminsul. Was wir da auf der Infotafel lesen, erstaunt uns zunächst und lässt uns dann schmunzeln. Die Irmensul war einst als Weltsäule bekannt. Der mächtige Baumstamm war als Stütze für das Weltall gedacht. Nun, das klingt nach heutigen Maßstäben doch etwas großspurig.

Tennisschläger als Wegweiser?
Auf dem Hügel mit der Irmensul versuchen wir uns zu orientieren. Wir entdecken eine Umgebungskarte. Unser nächstes Ziel ist Woltershausen. Aber wie kommen wir dahin? Wir entdecken einen Wegweiser mit drei Tennisschlägern. Naja, es sind drei stilisierte Irminsulen, bei Nichtwissen sehen sie aber eben wir Tennisschläger aus. Allerdings wissen wir nicht, wo die Ausschilderung hinführt. Wir gehen den Hügel erstmal wieder herunter. Einen Jogger fragen wir nach dem Weg nach Woltershausen. Er zeigt die Straße hinunter. Hm, dann sind wir ja richtig – denken wir. Tja, zu früh gefreut, denn wieder in Irmenseul merken wir, dass der Weg über die Landstraße führen würde. Wir sprechen nochmals Einheimische an und erfahren, dass wir wieder auf den Hügel müssen, um von dort durch den Wald nach Wolterhausen zu gelangen. Also, Kommando zurück. Was soll’s – irgendwie müssen wir ja auf unsere 20 Kilometer kommen.

Champagnerlaune in Woltershausen
Vorbei an Tante Grete’s Bank und Heinz Kehlenbeck’s Kurve erreichen wir schließlich doch noch Woltershausen. Und was soll ich euch sagen? Was für ein Empfang, man scheint bereits auf uns gewartet zu haben. Im Ortsflecken steht eine brandneue Scheune mit Bierbänken, österlich dekoriert. Na bitte, geht doch! Unerwartet zieht Christian eine Überraschung aus seinem Rucksack, eine Champagnerflasche erblickt das Licht. Das nenne ich mal einen feinen Zug. Wir gehen zur Mittagspause über und genießen ein Schlückchen des prickelnden Getränks. Also, dekadent geht die Welt zugrunde.

Beschwingt treten wir den weiteren Weg an. Durch den Ort geht es in Richtung Graste. Da kommen wir an einem sehr schönen Grundstück vorbei und haben ein Déjà vu: Nanu, diese Art von Skulptur haben wir doch schon einmal gesehen. Aber wo nur? Richtig, im Kloster Brunshausen an Silvester.

Schräg gegenüber entdecken wir noch einen individuellen Blumenladen. Susanne kann nicht widerstehen und nimmt ein Blümchen mit. Die Besitzerin erzählt uns, dass sie erst vor einem Monat aufgemacht hätte und der Laden erstaunlich gut liefe. Nun denn, Corona macht offensichtlich kreativ. Über die Feldmark schlagen wir uns nach Graste durch, dem böigen Wind trotzend. In Graste angekommen erfahren wir, dass “Alf“, die 80er Figur aus der gleichnamigen Serie, aus diesem Ort stammt. Immerhin tragen die Autos seinen Namen als Ortskennzeichen auf ihrem Nummernschild. Noch schräger finde ich allerdings folgende Szene: Wir treffen auf zwei Ortskundige. Es handelt sich um eine ältere Damen und einen älteren Herren. Zunächst keine große Sache. Interessant finde ich nur, dass der ältere Herr eine Mülltonne als Rollator zu benutzen scheint. Ist das der neue Pragmatismus?

Trüffel auf dem Hopfenberg
Wir verlassen Graste und wandern linker Hand auf den Hopfenberg. Die Aussicht von hier oben kann sich wirklich sehen lassen. Christian greift ein zweites Mal beherzt in seinen Rucksack. Diesmal zieht er ein paar Schokoladentrüffel hervor. Ja, hallo, was geht? Wir lassen uns die Leckerei munden während wir begeistert die schöne Landschaft und den Sonnenschein in uns aufsaugen.

Am Waldrand geht es weiter, diesmal in Richtung Harbarnsen. Wir gehen ein Stück auf dem Fahrradweg, der aus einem alten Bahndamm errichtet wurde. In der Ferne entdecke ich ein Bild an einer Hauswand und dann ein Schild. Ah, wir befinden uns auf dem Radweg zur Kunst. Wir erreichen nochmals einen schönen Rastplatz mit einer Bank direkt in der Abendsonne. Hier ruhen wir uns erneut ein wenig aus bevor wir den Rückweg nach Irmenseul antreten.

Lost Place Brennereigut
Wir kommen nach Harbarnsen und fragen drei vermeintlich Einheimische beim Hausbau nach dem Weg. In gebrochenem Deutsch mit slawischem Akzent teilt man uns mit, dass man noch nie von Irmenseul (einem ein km entfernten Nachbarort) gehört hätte(???). Die Frau unter den Dreien meint sich dann aber doch daran zu erinnern, dass es geradeaus (sie macht eine entsprechende Handbewegung) nach Irmenseul ginge. Wir machen uns auf den Weg und entdecken am Wegesrand ein beeindruckendes Bauwerk, genauer gesagt zunächst den Schornstein eines ehemaligen Farbrikgebäudes. Wir treten näher und sind begeistert. Wir stehen auf dem Hof des Ritterguts Harbarnsen und bewundern das ehemalige Brennereigut. Wir lichten das imposante Backsteingebäude im Abendlicht ab, ein Lost Place mitten im Ort.

Jetzt müssen wir nur noch die Straße hinaufgehen und sind wieder an unserem Ausgangspunkt: dem Sportplatz von Irmenseul.

Kloster Lamspringe
Auf dem Rückweg nach Seesen machen wir Halt in Lamspringe. Ich möchte noch einen Blick auf das Kloster und den dazugehörigen Park werfen. Wir betreten das Gelände über den Spielplatz innerhalb der Grünanlagen. Das Kloster schimmert im vorgelagerten Teich. Es bleibt leider nicht viel Zeit, aber es reicht, um einen Blick in die Klosterkirche zu werfen, die ehemalige Klostermühle zu inspizieren und den weitläufigen Park in Augenschein zu nehmen. Das Ende eines perfekten Tagesausflugs ins Leinebergland.

Ach ja und am Bahnhof in Braunschweig ist mit das Glück in Form eines jungen Mannes hold, der mir meine Fahrradkette wieder auf das Ritzel legt. Besser geht es nicht.

Der Link zu unserer Rundtour.

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