Im Schatten des großen Bruders

Christina/ Juni 16, 2011/ Kultur

Turm

Jahrelang hatte Dubai die Nase vorn. Während sich Abu Dhabi noch im Dornröschenschlaf zu befinden schien, wurde in Dubai bereits gearbeitet, gefeiert und Rekorde aufgestellt. Doch „slowly but surely“ hat sich der größte Staat der Vereinigten Arabischen Emirate ein neues Image aufgebaut. Und als Geburtshelfer des Erfolgs tat die Finanzkrise ihr Übriges um den Stern Abu Dhabis endlich erstrahlen und den Dubais zumindest schwächer werden zu lassen.

So hat es jedenfalls das Beratungsunternehmen PriceWaterhouseCoopers (PwC) in seiner neuesten Ausgabe der „Cities of Opportunity“ (COP) entschieden. Abu Dhabi, so heißt es dort, hat Dubai ersetzt. Abu Dhabi sei als Geschäftsmetropole im Aufwind, während sich Dubais Wachstum im Zuge der Finanzkrise merklich verlangsamt habe. Also, einfach abgehängt.

Top-Plätze für Abu Dhabi

Abu Dhabi, so heißt es auf Seite 12 der Studie, hat es in drei von zehn Kategorien geschafft in die Top 3 zu kommen. Spitzenplätze nimmt es ein durch die Qualität der Luft und der Krankenhäuser und seiner wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit. Den dritten Platz teilt sich die Stadt mit New York und Istanbul (Istanbul wurde neu in die Studie aufgenommen) beim Grad der Bauaktivitäten von Wolkenkratzern. Insgesamt schafft es Abu Dhabi auf den 18. Platz. Besonders niedrige Punktzahlen hat die Stadt in den Kategorien „Technologie“, „Nachhaltigkeit“ und „Lifestyle“ erhalten.

In den Kategorien „Nachhaltigkeit“ (setzt sich zusammen aus: recycled waste, renewable energy, consumption, air pollution und city carbon footprint) und „Lifestyle“ (setzt sich zusammen aus: cultural vibrancy, sport and leisure activities, skyline impact, hotel rooms, international tourists) lässt die Studie – wenn auch knapp – Mumbai besser abschließen als Abu Dhabi (Punktzahl 71:28!). Ein Ergebnis – ich kenne beide Städte persönlich -, das mir völlig unverständlich erscheint. Was die Nachhaltigkeit betrifft, so kann ich mir höchstens vorstellen, dass sich ein besseres Ranking Mumbais dadurch erklärt, dass es größtenteils gar keine Elektrizität in der Stadt gibt und die Stadt selber den Überblick über die Müllproduktion verloren haben dürfte. Müllabfuhr? Fehlanzeige! (Man denke nur an den größten Slum Asiens „Dharavi“, der sich mitten in Mumbai befindet.) Ist das die Logik: wo nichts brennt wird auch nichts verbrannt?

Noch abwegiger finde ich die Annahme, dass Mumbai mehr Lifestyle habe als Abu Dhabi (30:21). Abgesehen davon, dass Mumbai für mich definitiv eine der hässlichsten und dreckigsten Städte der Welt ist (Ratten so groß wie Katzen auf den Straßen), bietet sie kulturell im Vergleich zur Golf-Metropole Abu Dhabi (z.B. Saadiyat-Island) gar nichts! Sicherlich gibt es die üblichen (amerikanischen) Luxushotels (-ketten) und wenn man darauf steht, abends mit den gelangweilten Expats an der Hotelbar rumzustehen, ist das vielleicht was. Möglicherweise ist der ein oder andere auch dem Bollywood-Fieber verfallen. Aber wo bitte, sind in Mumbai die „international tourists“ und die „cultural vibrancy“???

Aufbau der Studie

In der Studie wurden insgesamt 26 Metropolen in insgesamt 66 Aspekten miteinander verglichen, zusammengefasst zu zehn übergreifenden Kategorien. PwC erläutert das Konzept der Studie selbst wie folgt: „Die Stadt, die bei einem Aspekt am besten abschneidet, erhält 26 Punkte, der Zweitplatzierte 25 Punkte, der Dritte 24 Punkte, etc. Gewinner einer Kategorie ist, wer insgesamt die meisten Punkte bei den einzelnen Aspekten erreicht hat. Für das Gesamt-Ranking wurden die Ergebnisse aller zehn Kategorien addiert“. Die zugrunde liegenden Schlüsselvariablen werden auf den Seiten 79 – 82 näher erklärt. Klingt soweit erstmal objektiv – wirft bei einem genauren Blick in die Studie jedoch Fragen auf.

Bei einem Blick auf das Ranking könnte man PwC spontan (wahrscheinich auch das subjektiv gesehen) mangelnde Objektivität vorwerfen, angesichts der Tatsache, dass sich drei nordamerikanische Städte die ersten drei Plätze teilen: (1) New York; (2) Toronto und (3) San Francisco. Ich befürchte, da hat sich der Weltmarkt bereits für andere Wachstumsregionen (allen voran China) entschieden.

Werfen wir einen Blick auf die einzelnen Kategorien. Vorab: Meine Ansichten sind natürlich rein subjektiv; inspiriert durch viele Auslandsreisen und Eindrücke, die ich vor Ort gesammelt habe. Statistisch belegen kann ich jedoch nichts. Allerdings soll man ja bekanntlich auch keiner Statistik glauben, die man nicht selbst gefälscht hat.

Zehn Kategorien

COP ist also in 10 Oberkategorien eingeteilt: (1)Intellektuelles Kapital und Innovation, (2) Technologie, (3) Verkehr und Infrastruktur, (4) Gesundheit und Soziales, (5) Nachhaltigkeit, (6) Wirtschaftskraft, (7) Bedingungen für die Geschäftstätigkeit, (8) Kosten, (9) Demographie und Lebensqualität und (10) Lifestyle.

Nehmen wir nur ein Beispiel, das stellvertretend für eine teilweise nicht nachvollziehbare Vorgehensweise gelten soll: die Kategorie Verkehr und Infrastruktur. Dass Mumbai (Platz 24) hier überhaupt aufgelistet ist, spottet jeder Beschreibung. Dies kann sicherlich jeder bestätigen, der einmal in der indischen „Finanzmetropole“ gewesen ist. Versucht mal, Euch mit öffentlichen Verkehrsmitteln durch die Stadt zu bewegen. Dass hat mit Sicherheit niemanden von den PwC-Mitarbeitern getan. Bestimmt hat der Mumbaier-Flughafen ein hohes Verkehrsaufkommen, vielleicht auch ein gutes Streckennetz. Allerdings gibt es gerade mal einen Direktflug in die USA und noch bis vor Kurzem erinnerten das Flughafengebäude, die Passagierabwicklung als auch die Sicherheitsvorkehrungen an Standards, die es in Europa vielleicht zur Zeit des ersten Weltkrieges gegeben hat oder möglicherweise hinter dem „Eisernen Vorhang“ kurz vor dem Auseinanderbrechen der Sowjetunion und dem Fall der Berliner Mauer. Auch Duty Free-Artikel waren am Mumbaier Flughafen bis vor einem guten Jahr im 5-Jahres-Plan der Produktion noch nicht vorgesehen.

Als Fußnote zum Schluss: Istanbul zieht mit jeder amerikanischen Stadt gleich, was die Aufnahme einer geschäftlichen Tätigkeit betrifft und überholt sogar Tokio, San Francisco und Berlin bei den internationalen Besucherzahlen.

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