Buchrezension: Susanne Abels Gretchen

Christina/ Februar 12, 2025/ Kultur

Es kommt nicht oft vor, dass der zweite Band einer Duologie genauso fesselnd ist, wie der erste. Susanne Abel hat es mit ihren beiden Romanen „Stay away from Gretchen“ und „Was ich nie gesagt habe“ geschafft. Während es in der ersten Erzählung um die Protagonisten Greta aus Ostpreußen geht; dreht sich der zweite Band um das Schicksal ihres Ehemanns Konrad und ein vererbtes Kriegstrauma, das sich langsam auflöst. Auch, wenn ich die Liebesgeschichte zwischen Gretas Sohn Tom und seiner Jenny etwas zu schmalzig finde, sind beide Bücher äußerst lesenswert. Besonders für die Nachkriegsgeneration, zu der ich auch gehöre.

Eine gute Bekannte hatte mich auf das Buch mit dem seltsamen Titel „Stay away from Gretchen“ aufmerksam gemacht und es mir ausgeliehen. Da lag es nun eine ganze Weile auf meinem Nachttisch. Andere Bücher warteten bereits länger auf meine Aufmerksamkeit, so musste Gretchen noch warten. In den Weihnachtsferien war es dann endlich so weit. Und tatsächlich, so glaube ich, kann der Roman je nach Leserin oder Leser eine ganz andere Wirkung entfalten. Als Tochter einer Elterngeneration, die beide, jeder auf seine Weise, von den Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs geprägt waren, hat mich in dem Buch nicht in erster Linie der Rassismus und die Bigotterie im Nachkriegsdeutschland betroffen gemacht. Nein, es waren vielmehr die Parallelen zwischen dem Leben meiner Mutter und der fiktiven Greta. So hat mich sowohl die Beschreibung der Flucht aus Ostpreußen als auch die Zeit im Aufnahmelager und später beim Bauern, der auf die Flüchtlinge herabschaut und nur sein eigenes Wohl sieht, besonders betroffen gemacht. Ich werde es natürlich nie komplett nachvollziehen können, was es bedeutet haben muss, um sein Leben zu fürchten, nie zu wissen, ob man den nächsten Tag oder Abend überlebt. Von russischen Soldaten belästigt oder gar vergewaltigt zu werden. Und dann, wenn man nichts als das nackte Leben gerettet hat, wieder ungewollt zu sein, weil niemand seine kargen Rationen mit den Flüchtlingen teilen will.

Auf der Flucht
Eine gute Bekannte hatte mich auf das Buch mit dem seltsamen Titel „Stay away from Gretchen“ aufmerksam gemacht und es mir ausgeliehen. Da lag es nun eine ganze Weile auf meinem Nachttisch. Andere Bücher warteten bereits länger auf meine Aufmerksamkeit, so musste Gretchen sich gedulden. In den Weihnachtsferien war es dann endlich so weit. Und tatsächlich, so glaube ich, kann der Roman je nach Leserin oder Leser eine ganz andere Wirkung entfalten. Als Tochter einer Elterngeneration, die beide, jeder auf seine Weise, von den Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs geprägt waren, hat mich in dem Buch nicht in erster Linie der Rassismus und die Bigotterie im Nachkriegsdeutschland betroffen gemacht. Nein, es waren vielmehr die Parallelen zwischen dem Leben meiner Mutter und der fiktiven Greta. So hat mich sowohl die Beschreibung der Flucht aus Ostpreußen als auch die Zeit im Aufnahmelager und später beim Bauern, der auf die Flüchtlinge herabschaut und nur sein eigenes Wohl sieht, besonders betroffen gemacht. Ich werde es nie komplett nachvollziehen können, was es bedeutet haben muss, um sein Leben zu fürchten, nie zu wissen, ob man den nächsten Tag oder Abend überlebt. Von russischen Soldaten belästigt oder gar vergewaltigt zu werden. Und dann, wenn man nichts als das nackte Leben gerettet hat, wieder ungewollt zu sein, weil niemand seine kargen Rationen mit den Flüchtlingen teilen will.

Greta
Eine furchtbare Zeit sind ebenso die Nachkriegsjahre. Voll der Entbehrung und geprägt von dem Gedanken, wo die nächste Mahlzeit herkommt oder wie man die Wohnung in der klirrenden Kälte eines harten Winters einigermaßen warm bekommt. Und dann, mitten in dieser trostlosen Periode, kommen Greta, ihre Mutter, ihr Großvater und dessen Frau bei Verwandten in Heidelberg unter. Die Stadt mutet fast unwirklich an, da sie im Krieg so gut wie keine Zerstörung erfahren hat. Allerdings, seit dem 30. März 1945 ist Heidelberg von amerikanischen Truppen besetzt. Genau dieser Umstand wird Greta im Folgenden zum Verhängnis. Sie verliebt sich in einen farbigen GI. Verhältnisse, uneheliche Kinder als auch Eheschließungen gab es in den Nachkriegsjahren zuhauf. Von 12.000 – 13.000 solcher Beziehungen zwischen deutschen Frauen und den Besatzungsmächten ist die Rede. Dazu muss man wissen, dass bis Ende 1946 ein Heiratsverbot bestand! Unnötig zu erwähnen, dass sich die „deutsche Gesellschaft“ gegenüber diesen kulturell gemischten Ehen wenig tolerant zeigte. War das Ergebnis jedoch ein farbiges uneheliches Kind, dann waren die Konsequenzen für das Liebespaar besonders dramatisch. Denn, weder die deutsche noch die amerikanische Seite wollte diese Kinder wirklich haben.

Der Brown Baby Plan erzählt die leidvolle Geschichte, die Greta stellvertretend für viele andere deutsche Frauen erleben muss. Das Kind namens Marie wird ihr weggenommen. Es kommt in ein Heim. Was danach passiert bzw. wo Marie später verbleibt, erfährt Greta nie selbst. Erst ihr Sohn Tom bringt die Wahrheit ans Licht und findet Marie tatsächlich in den USA wieder. Allerdings ist seine Mutter zu der Zeit bereits dement und kann somit nur noch teilweise verstehen, was wirklich in all den Jahren passiert ist.

Konrad
In „Was ich nie gesagt habe“ geht es in erster Linie um Gretas Ehemann und Toms Vater, Konrad. Bereits im ersten Teil der Duologie hat Konrad einen kleinen Part. Man erfährt, dass er Greta das erste Mal bei ihren Verwandten in Heidelberg begegnet. Beim nächsten Zusammentreffen rettet er sie vor dem selbstgewählten Ertrinken, nachdem ihr Marie weggenommen wurde.

Konrads Martyrium während des Zweiten Weltkriegs wird ausführlicher als das von Greta erzählt. Kurzum: Konrad verliert in dieser Zeit seine ganze Familie. Sein Vater stirbt jung, sein Bruder kommt aus dem Krieg nicht zurück. Seine behinderte Schwester wird von den Nazis durch Experimente zu Tode gequält. Seine Mutter kommt bei einem Bombenangriff ums Leben. Wie durch ein Wunder übersteht Konrad die Katastrophe. Als Kriegsgefangener findet er sich am Ende der Kampfhandlungen im Süden der USA wieder.

Als er nach Deutschland zurückkehrt, erfährt er, dass der Bruder seines Vaters noch lebt, aber in russischer Kriegsgefangenschaft ist. Konrad geht nach Heidelberg; von seinem Onkel hat er erfahren, dass dort ein Bekannter lebt. Dieser ist, ebenso wie Konrads Onkel, Arzt. Konrad studiert ebenfalls Medizin und lernt, wie bereits erwähnt, Greta kennen. Aufgrund seiner Verlusterfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg konzentriert er sich fortan ganz auf seine Frau und hofft auf eine neue Familie.

Obwohl Greta wiederum ihren Verlust, den von Bob, ihrem amerikanischen Geliebten, und den ihres Kindes nie überwunden hat, entschließt sie sich, mit Konrad einen Neuanfang zu wagen. Die Ehe ist jedoch von den Kriegstraumata beider Eheleute überschattet. Nach vielen Jahren wird Greta endlich zum zweiten Mal schwanger, Tom kommt auf die Welt. Hineingeboren in eine Ehe, die aus zwei traumatisierten Menschen besteht, die versuchen, irgendwie ihre Vergangenheit zu vergessen, wird der gemeinsame Sohne Opfer eines transgenerationalen Traumas.

Die Erzählung springt immer wieder zwischen der Vergangenheit von Toms Eltern und der Gegenwart hin und her. Nach und nach wird das ganze Ausmaß der schrecklichen Erlebnisse und ihrer Konsequenzen dem Leser deutlich. Tom werden viele seiner eigenen erlernten Verhaltensweise klar. Und, er hat das Glück einer Healerin zu begegnen, d.h. einer Person mit einem sicheren Bindungsstil.

Es gibt noch zahlreiche Irrungen und Wirrungen, viele überraschende Wendungen, die ich hier gar nicht alle erzählen möchte. Mein Anliegen ist ja auch ein anderes. Nämlich, was Krieg mit uns macht. Nicht nur mit den direkt betroffenen Menschen, sondern auch mit den nachfolgenden Generationen, die die Folgen tragen müssen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass die kriegstraumatischen Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg niemals aufgearbeitet wurden. Die Überlebenden wurden mit ihrem Schicksal einfach allein gelassen. Wiederaufbau und Wirtschaftswunder standen auf der Agenda – wie der Einzelne mit seinen seelischen Schockzuständen klar kam hat keinen interessiert. Hauptsache, es ging voran und „man“ hat wieder funktioniert.
Und anscheinend hat die Menschheit aus diesen katastrophalen Jahren nichts gelernt. Ständig wird man mit „history repeating“ konfrontiert. Sei es der sinnlose Krieg in der Ukraine oder der Dauerkonflikt zwischen Palästina und Israel. Solange die Kriegshandlungen andauern, gibt es eine Berichterstattung. Sobald diese beendet sind, interessiert sich niemand mehr für die Kriegsgeneration und deren Nachfolger. Dann geht es wieder nur um Wiederaufbau und wirtschaftlichen Erfolg. Da gibt es nur einen Haken: Die Seele vergisst nichts, wenn die Emotionen nicht freigelassen werden.

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