Corona-Tagebuch: So sieht der Schwarze Schwan aus
Bis November 2016 wusste ich nicht, was hinter diesem Begriff steht: ein Schwarzer Schwan. Dann wird Donald Trump am 8.11.2016 zum Präsidenten der USA gewählt. An dem Tag gehen die Börse zunächst runter und kurze Zeit später wieder hoch. Ich beginne mich mit der Börse auseinanderzusetzen und hole mir die App vom Börsenradio aufs Smartphone. Ich habe u.a. BWL studiert. So ein bisschen über den Aktienmarkt haben wir da auch erfahren. Bis dahin glaubte ich noch, die Börse wäre eine rationale Angelegenheit und Kurse würden steigen, wenn Unternehmen Gewinne machen und umgekehrt. Dann höre ich zum ersten Mal Börsenweisheiten wie: „Politische Börsen haben kurze Beine“, „hin und her macht Taschen leer“ und „Geben, wenn alle nehmen und nehmen, wenn alle geben.“ Aha, da gebe ich zunächst nicht viel drauf. In 2017 läuft die Börse bombastisch, da hätte jedes Greenhorn locker Geld verdienen können. Dann kommt 2018. Da sieht die Lage schon anders aus. Erstmals kommen wieder die Crashpropheten zum Zuge und der Begriff vom „Schwarzen Schwan“ fällt. Der Schwarze Schwan im Börsenjargon ist ein unvorhersehbares Ereignis, das die Märkte völlig unerwartet und mit voller Wucht trifft, sodass sich diese im freien Fall befinden.
Das ist in 2018 noch nicht so, auch wenn das Jahr insgesamt an der Börse nicht so gut läuft und die lockere Geldpolitik der Notenbanken immer wieder auf Kritik und Sorgen stößt. Als sich dann die Kurse in 2019 wieder erholen und es insgesamt ein positives Jahr auf den Parketts wird, treten die mahnenden Stimmen allmählich in den Hintergrund.
Greta Thunberg und die Klimakrise
Dann erscheint plötzlich Greta Thunberg auf die Bildfläche, eine 16-jährige Schülerin aus Schweden. Plötzlich dreht sich alles um „grüne und nachhaltige Finanzanlagen“. Sogar Ober-Kapitalist Larry Fink von Blackrock schreibt einen Brandbrief an seine Topmanager und rät diesen dringend „Green Washing“ zu betreiben. Nun, vermutlich ist es für vermeindliche Topmanager, die jährlich das Weltwirtschaftsforum mit ihrem Erscheinen beehren nicht besonders amüsant, sich von einem Teenager vorführen zu lassen. Also, alles etwas unangenehm, aber noch lange kein Schwarzer Schwan.
Auftritt des Schwarzen Schwans
Im Dezember 2019 ändert sich alles, auch wenn das zunächst niemand ahnt: der erste Corona-Fall tritt in der chinesischen Millionenmetropole Wuhan in der Provinz Hubei auf. Bis dahin habe ich noch nie von Wuhan gehört. Das alles schien zunächst weit weg zu sein. Welche Bedeutung und Dynamik das Ganze bekommen sollte konnte absolut niemand absehen. Aber er war da: der Schwarze Schwan. Zunächst schien es „nur“ um die chinesische Wirtschaft zu gehen. Schlimm genug, denn schließlich sind wir aufgrund der Globalisierung zumindest wirtschaftlich weltweit miteinander verbunden. Zunächst wurde jedoch nur von den wirtschaftlichen Problemen gesprochen, niemand rechnete damit, dass sich das Virus weltweit ausbreiten und damit eine Katastrophe auslösen könnte. Sowohl der Dow-Jones als auch der DAX entwickelt sich zu Beginn des Jahres prächtig also schien alles in bester Ordnung zu sein. Mitte Februar gibt es jedoch vereinzelte Stimmen, dass das Corona-Virus gefährlicher sein könnte, als angenommen. Aber so richtig ernst nimmt das noch keiner.
„Ich würde Veranstaltungen meiden“
Als ich Ende Februar einen Arztbesuch absolviere, fragte ich die Ärztin, wie sie Corona einschätzen würde. „Ich würde auf keine Veranstaltungen mehr gehen und Menschenansammlungen vermeiden“, sagte sie mir. Das hat mich nachdenklich gemacht. Eigentlich hatte ich vorgehabt am selben Abend auf eine Vernissage zu gehen. Die ließ ich dann ausfallen, ich hatte kein gutes Gefühl dabei. Zunächst ging das Leben aber relativ normal weiter, ich ging auch noch zum Zirkeltraining und traf mich dort mit meinen Freundinnen. Gleichzeitig merkte ich aber, dass ich immer mehr die Umgebung nach ersten Anzeichen abscannte und zunehmend unsicherer wurde. Ist das überhaupt noch richtig, zum Sport zu gehen? Es kamen erste Zweifel auf, wir diskutierten mehr über das Thema. Zu der Zeit gab es bereits die ersten Fälle in Deutschland, spätestens jetzt war klar: das ist kein chinesisches Problem. Die Bedrohung steht direkt bei uns vor der Tür und keiner weiß, was das bedeutet. Das Virus ist nicht zu sehen, nicht zu greifen, aber es greift extrem schnell um sich und es tötet Menschen.
Alles ist anders!
Von da ab wird alles anders. Plötzlich schaue ich jeden Tag wieder Nachrichten im Fernsehen, was ich seit Langem nicht mehr getan habe. Ich suche im Internet nach seriösen Informationen und stoße u.a. auf den „Corona-Update“ Podcast von NDR-Info mit Christian Drosten. Ich denke mir, wenn ich die Bedrohung nicht sehen kann, dann will wenigstens so viel wie möglich darüber erfahren und zwar keine Fake-News, sondern Handfestes. Herr Drosten hat mich etwas beruhigt: Er berichtet sachlich, verständlich. Er gibt zu, dass er auch nicht alles weiß und das halt Vieles ausprobiert werden muss, um zu sehen, was wirksam ist. Inzwischen sind auch schon die Hamsterkäufe im Gang und ich drohe langsam die Orientierung zu verlieren. Einerseits heißt es aus der Politik „die Versorgung sei gesichert“, andererseits sehe ich nur noch Toilettenpapier tragende Menschen um mich herum. Ich bin in einer Konsumgesellschaft groß geworden. Ich habe nur einmal in meinem Leben leere Regale gesehen und das war kurz nach der Wende. Ich bin in einem kleinen, ehemaligen Grenzort aufgewachsen. Da waren die Regale mal plötzlich am Montag nach dem Erhalt des Begrüßungsgeldes leer. Okay, damals war das neu für mich, aber das ging schnell vorbei.
Wie lange wird es dauern und was kommt danach?
Die jetzige Situation ist eine ganz andere, die wird nicht schnell vorbeigehen, das ist jetzt schon klar. Die Pandemie hat uneinschätzbare Folgen für alle. Wir leben in einer Situation, die sich niemand hätte so vorstellen können. Jeder Hollywood-Katastrophen-Film wäre an dem Plot gecheitert, weil man diesen für unrealistisch und überzogen gehalten hätte. Und es wird jeden Tag drastischer: Geschäfte schließen, Restaurants schließen, Bars, Museen, Schulen, Universitäten, alles zu. Das öffentliche Leben stirbt, langsam aber sicher. Und keiner weiß, ob das alles ausreichen wird, um das Virus aufzuhalten, wie lange der Ausnahmezustand anhält und wie es nach der Krise weitergeht. Sicher ist nur eins: es wird weitergehen, aber nicht wie bisher.
Ich habe großen Respekt vor allen Ärzten, Krankenschwestern, Supermarktmitarbeitern und allen anderen, die in dieser Krise Übermenschliches leisten, weil sie sich völlig verausgaben müssen. Mich treffen die Einschränkungen auch und sie machen mir auch Angst. Ich weiß aber auch, hier geht es nicht um meine Bedürfnisse, sondern darum, die Personen zu unterstützen, die viel stärken und unmittelbarer von der Krise betroffen sind.
Bleibt gesund – passt aufeinander auf – macht euch Mut!