Brodmann weltweit, Teil zwei der Ausstellung

Christina/ Januar 20, 2025/ Kultur

Am letzten Sonntag hatte ich die Kombikarte erworben. Nachdem ich „Brodmann in Braunschweig“ im Museum Hinter Aegidien also konsumiert hatte, steht eine Woche später der zweite Teil der Veranstaltung auf meiner Agenda. Als ich wetterbedingt etwas tiefgefroren am Museum ankomme, hat sich vor der Kasse eine Schlange gebildet. Obwohl ich bereits ein Ticket habe, stelle ich mich an. Ich will die Führung mitmachen. Mit Blick auf die Menschenmenge ahne ich bereits, dass das Ganze heute Nachmittag etwas anders als erhofft laufen könnte.

Gespannte Nerven an der Kasse
Die Stimmung im Städtischen Museum scheint mir an diesem Tag etwas angespannt zu sein. Noch kann ich den Grund nicht erkennen. Nach und nach setze ich die Puzzleteile von meinen Beobachtungen langsam zusammen. Zum einen scheint man vom Interesse an der Führung überrascht zu sein, es gibt nämlich keine Schließfächer mehr für die Taschen. Zum anderen entspinnt sich plötzlich an der Kasse eine Diskussion, die die Wartenden nervös werden lässt, weil es nicht weitergeht und der Rundgang in drei Minuten beginnen soll. Was ist passiert? Uwe Brodmann, Namensgeber der Ausstellung, diskutiert mit dem Kassierer. Aus Gesprächsfetzen höre ich heraus, dass es wohl um eine Ermäßigung des Eintritts für Mitglieder des Fotomuseums geht. Nach einigem hin- und her und nervösem Gescharre der Wartenden geht es schließlich weiter.

Unfreundliche Ansprache des Personals
Endlich wird meine Karte abgestempelt. Auf dem Weg zur Ausstellung werde ich jedoch – neben anderen Gästen – recht barsch aufgefordert, meinen Mantel an die Garderobe zu hängen und meine Tasche an der Kasse abzugeben (die Staufächer sind ja voll). Da sich in meiner Tasche sowohl mein Hausschlüssel als auch mein Portemonnaie befinden, fühle ich mich bei dem Gedanken nicht so wohl. Ich ertappe mich zudem dabei, dass ich hier aufgrund der angespannten Atmosphäre genervt bin. Als ich dann noch sehe, wie umfangreich heute die Interessensgruppe ist und erfahre, dass Brodmann heute die Führung allein machen muss, bin ich bedient.
Aber egal, jetzt bin ich schon mal hier. Also versuche ich das Beste daraus zu machen.

Die Gruppe bröckelt schnell
Die ganze Gruppe (ich schätze so um die dreißig Leute) macht sich auf den Weg in den zweiten Stock. Schnell wird deutlich, dass die Aufmerksamkeitsspanne bei so vielen Leuten sehr gering sein wird, zumal man Brodmann teilweise akustisch schlecht verstehen kann. So ist es auch nicht verwunderlich, dass sich die ersten Gäste bald von der Gruppe absetzen.
Brodmanns Ausführungen folgend merke ich schnell, dass es ein Vorteil ist, bereits im ersten Teil der Ausstellung gewesen zu sein. Manche Details seines Schaffens sind mir bereits bekannt oder lassen sich so besser einordnen. „Brodmann International“ ist durch seine 20jährige Tätigkeit als Fotograf für die Firma Bühler und die MIAG (wurde später von Bühler übernommen) zu erklären. Für das Unternehmen, das weltweit große Anlagen vertreibt und aufbaut, war Brodmann viel im Ausland unterwegs. Auf diesen Reisen ergab sich dann für ihn die Möglichkeit, den einen oder anderen privaten Schnappschuss zu tätigen, der nun hier ausgestellt ist. Aber auch auf privaten Touren hält der Fotograf seine Erlebnisse fest.

Zwei Zigeunerinnen in Griechenland
Brodmann bleibt zunächst vor einem Bild aus Griechenland stehen. Sein Augenmerk fällt auf den Titel, der von zwei Mädchen spricht. Tatsächlich, so merkt er schmunzelnd an, seien zwei Zigeunerinnen abgebildet. Aber mittlerweile, so ergänzt er, sei es ja nicht mehr opportun, diese Bezeichnung zu benutzen.
Die nächsten Bilder führen uns nach Tallinn, St. Petersburg (damals noch Leningrad), Kreta und zum Kanal von Korinth. Die Aufnahmen, so verrät er uns, hätte er mit einer Kamera russischer Provenienz gemacht. Ich erinnere mich, so eine Kamera – hieß die Marke Horizont? – letzten Sonntag gesehen zu haben. Den Apparat habe er seinerzeit für schwarz getauschte 90 DM in Warschau erstanden. Dann sagt der Künstler interessanterweise, dass die Auswahl der ausgestellten Fotos willkürlich anmute. Also scheint er hier wohl kein Mitsprachrecht gehabt zu haben. Zudem klingt es so, als sei er mit der getroffenen Wahl auch nicht ganz glücklich.

Plastik war schon immer ein Thema
Als nächstes bleibt er vor einem Bild stehen, das er auf Mallorca aufgenommen hat. Er erzählt uns, was man auf dem Bild nicht sieht. Nämlich, dass die Bucht bereits damals, vor 35 Jahren, mit Plastikmüll übersäht war. Von der Balearischen Insel geht es weiter zu Down Under. Das Foto zeigt ein Haus, eher eine Art Hütte, das direkt an Bahngleisen steht. Brodmann lässt uns wissen, dass er damals – auch eine Auftragsreise – 44 Stunden benötigt hätte, um in Australien anzukommen. Und das nur für drei Tage. Nachdem die Zementfabrik abgelichtet war, ging es wieder retour. Sein Kommentar zum Foto: „Die Aborigines sind schon sehr unterprivilegiert.“

Abgesang auf VW?
Die Auswahl der nächsten Bilder habe ich nicht so recht verstanden. Gezeigt werden Arbeiten aus Braunschweiger Museen, die entweder Ausstellungsstücke oder einfach nur Räume vor dem Umbau zeigen. Es sind auch Aufnahmen aus Museen in New York und Detroit darunter.
Schließlich bleibt er vor einer Fotografie stehen, die das Kraftwerk von Volkswagen in Wolfsburg zeigt. Die Aufnahme setzt sich aus drei einzelnen Bildern zusammen und wurde mit Photoshop bearbeitet. Dabei hat das Programm zwei Schornsteine verschluckt. Brodmanns Kommentar: „Lässt hier Feininger grüßen oder ist das ein Abgesang auf die aktuelle Situation bei VW?“

100jährige am Strand
Eine weitere Anekdote aus Brodmanns Schaffenszeit führt uns in die Normandie. Der Fotograf erzählt von einem verunglückten Urlaub in der Bretagne, der das Ehepaar schließlich in die Normandie führte, wo sie auf ein Veteranentreffen stießen. Einer der Teilnehmer hat Brodmann eine Krawatte geschenkt. Ein Psychologe hätte ihm das Bild für seine Praxis abkaufen wollen. Auf die Frage Brodmanns warum, erklärte ihm dieser, dass immer mehr alte Männer mit Kriegserlebnissen in seine Sprechstunde kämen.

Wir sind so gut wie einmal durch die Ausstellung gegangen. So setze ich mich von der immer kleiner werdenden Gruppe ab und streife noch ein wenig auf eigene Faust durch die Bilderreihen. Mir fallen dabei noch die Fotografien der Kathedrale der Heiligen Maria in Palma de Mallorca, vom Trocadéro in Paris, von spielenden Kindern in Mombasa und von einem Totentempel in Ägypten auf.
Jetzt bin ich über Brodmanns Oeuvre bestens informiert. Auf dem Weg nach draußen erhasche ich einen ersten Blick auf die nächste Ausstellung im Städtischen Museum, die am 28.1 eröffnet wird. In der großen Halle stehen bereits einige Steinway-Flügel, aufgestellt für die Schau „People & Pianos.“

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