Galka Scheyer: Hommage an eine starke Frau
An diesem Sonntag verlasse ich das Städtische Museum Braunschweig tief beeindruckt. Was ist passiert? Ich habe die Finissage der Ausstellung “Galka Scheyer und Die Blauen Vier” besucht. Zum heutigen Abschluss wurden auch Führungen angeboten. Ich hatte schon damit gerechnet, dass es am Internationalen Museumstag mit freiem Eintritt voll werden könnte. Aber als dann 30 Minuten vor Beginn der zweiten Führung draußen auch noch der große Regen einsetzte, mag das für den einen oder anderen noch ein zusätzlicher Anreiz gewesen sei. Ich jedenfalls habe das Museum am Löwenwall noch nie so voll erlebt. Aber zurück zu Galka Scheyer: Die Hommage an eine starke und selbstbestimmte Frau hat mir sehr imponiert. Gleichzeitig hat die Lebensgeschichte Scheyers wieder mal die Frage aufgeworfen: Haben Männer Angst vor starken Frauen?
Aller Anfang ist schwer
Zehn Minuten vor 14 Uhr ruft mich meine Freundin an: “Legst du Wert darauf, im Regen zum Museum zu fahren?” Oh, regnet es. Ein Blick aus dem Fenster bestätigt diese Befürchtung. Also fahren wir zu dritt zur Galerie. Draußen gießt es inzwischen in Strömen. Im Voraum des Städtischen Museum ist es bereits sehr voll. Aufgrund der nassen Klamotten herrscht eine schwüle Luft vor. Zunächst ist uns nicht klar, warum es nicht weitergeht. Eine Servicekraft klärt uns auf: Alle Schließfächer sind besetzt und die mitgebrachten Taschen dürfen nicht größer als DIN A4 sein. Also stehen wir erst einmal im Stau. Im Moment sind wir gar nicht mehr sicher, ob wir es zur Führung schaffen. Schließlich lässt uns die Aufsicht durch. Wir geben unsere Taschen ab und hätten beinahe den Anfang verpasst. Wie erwartet ist der Andrang groß. Ich erhasche aber noch eine Lücke und lausche dann gebannt den Schilderungen von Frau Dr. Axmann.
Bereits der Lebenslauf von Emilie Esther Scheyer, geboren 1889 in Braunschweig, ist spannend. Zu der Zeit war es alles andere als gewöhnlich, dass Frauen ein eigenständiges Leben ohne Ehemann führten. Die Kunstförderin hatte insofern Glück, dass sie zum einen einer wohlhabenden Familie entsprang und zum anderen einen Vater hatte, der ihr Talent und Lebensstil ideel und monetär förderte. Zuerst ging Scheyer nach Brüssel, später nach St. Prex und schließlich in die USA. Zeitweise hat sie selbst gemalt, später jedoch verdingte sie sich insbesondere als Kunsterzieherin, Kunsthändlerin und Kunstsammlerin. Ungeklärt bleibt ihr Verhältnis zu Alexej Jawlensky, dessen Werk “Frau mit Buckel” so nachhaltig beeindruckte, dass von Jawlensky (1864-1941) ihr wichtigster Malerfreund wurde. Er lebte in einer schwierigen Beziehung mit Marianne von Werefkin und einer Geliebten. Jawlensky soll es auch gewesen sein, der ihr den Kosename “Galka” (russisch “Dohle”) gegeben hat. Diesen Namen ließ sie auch in ihren amerikanischen Pass zusammen mit einem vordatierten Geburtsdatum (1899) eintragen. Ein Zeichen der Zuneigung?
Starke Frauen – schwache Männer?
Während Frau Axmann nichts von einer Liaison zwischen den beiden erzählt, höre ich später in der Kuratorenführung, dass den beiden ein Verhältnis unterstellt wurde. Allerdings ist da noch das Interview mit Lette Valeska, ihrer Freundin. Valeska erzählt davon, wie Galka und sie Jawlensky in Ancona kennengelernt haben. Als deutlich wurde, dass sich der russische Künstler für Lette und nicht Galka interessiert, will Scheyer nach Aussage ihrer Freundin wieder abreisen. Letztendlich bleiben sie zwar noch ein paar Tage, aber Galka drängt immer wieder zum Aufbruch.
Einerseits hat Scheyer das Talent sich als Kunsthändlerin zu etablieren. Schließlich ist sie es, die die Blaue Vier ins Leben ruft, das Logo mit den vier blauen Streifen entwirft und sich um das Marketing kümmert. Auch ohne kaufmännische Ausbildung schließt sie mit den vertretenen Künstlern gute Kaufverträge ab und macht die Kreativen bei Hollywood-Größen wie Greta Garbo und Marlene Dietrich bekannt. Doch trotz ihrer vielen Kontakte und ihrer Berühmtheit blieb Galka allein. Eine Ehe ist nicht bekannt, eine längere Liebschaft ebenso wenig. Auf die Einsamkeit besonders vor ihrem Tod im Jahre 1945 rekurriert das Stück “Galka Scheyer, ganz allein“. Ist es wieder das Schicksal, der bewunderten und vielleicht auch gefürchteten Frau, der kein Mann gerecht werden kann? Möglicherweise ist diese Theorie gar nicht so neu. Denn bereits vor Galka Scheyer lassen sich in der Antike entsprechende Frauenbeispiele finden: z.B. in der Pharaonin Hatschepsut. Handelt es sich also um ein unvermeindliches Schicksal oder gibt es sie noch, die starken Männer?
Sunshine comes after rain
Mit diesen Überlegungen verlasse ich das Museum. Zwischenzeitlich hat es aufgehört zu regnen, die Sonne ist zurück. So lassen wir unsere Gedanken ziehen und spazieren ein Stück am Okerufer entlang. Was für ein herrlicher Tag. Rember: sunshine comes always after the rain.