Lette Valeska: Stars ohne Glamour

Christina/ Dezember 12, 2023/ Kultur

Seit September 2023 zeigt das Städtische Museum in Braunschweig die Ausstellung: „Stars ohne Glamour“. Die Schau zeigt, erstmalig in Deutschland, Portraitfotografien der Braunschweiger Künstlerin Valeska Heymann, geb. Heinemann. An der Präsentation sind nicht nur die Aufnahmen interessant, sondern mindestens ebenso die Lebensgeschichte der Braunschweigerin. Und sicherlich gehörte auch sie zu den „Starken Frauen aus Braunschweig“. Die Ausstellung kann noch bis zum 07. Januar 2023 besucht werden.

Als ich das Ausstellungsplakat im Frühherbst dieses Jahres an einer Litfaßsäule entdecke, ist mein Interesse sofort geweckt. Eine Künstlerin aus Deutschland, die Hollywoodstars fotografiert hat? Das klingt interessant. Da ich solche Veranstaltungen gerne im Rahmen einer öffentlichen Führung besuche, komme ich erst im Dezember zu dem Vergnügen.

Später Ruhm
Dabei ist Valeska Heinemann, die sich später Lette Valeska nennt, bereits über 60 Jahre als ihre Karriere in den USA beginnt. Obwohl sich Valeska bereits seit ihren Kindheitstagen für das Fotografieren interessiert, verläuft ihr Leben zunächst in anderen Bahnen. Als Tochter einer jüdischen säkularen Unternehmerfamilie wird sie im Jahre 1885 geboren. Valeska hat drei Brüder: Ludwig, Walter und Fritz. Zwei der Brüder sterben im Krieg, Walter geht zunächst als Arzt nach Palästina und emigriert später in die USA. Dort treffen sich die Geschwister später wieder. Valeska besucht das Lyceum („Die kleine Burg“) und ist seit ihrer Schulzeit mit Galka Scheyer befreundet. Über diese Freundschaft wird sie auf den im Jahre 1890 gegründeten Lette Verein in Berlin aufmerksam. Eine fotografische Lehranstalt, an der sie sich ausbilden lässt.

Zunächst arbeitet Valeska als Sekretärin in Brüssel. Als sie ihren späteren Mann kennenlernt, Ernst Heymann, kehrt sie 1920 der Löwenstadt den Rücken zu und zieht nach Frankfurt. Dort besitzt der Unternehmer eine Fabrik für chemisch-pharmazeutische Produkte. 1932 siedelt das Paar mit seiner kleinen Tochter nach Paris um, um dort eine Filiale der Firma zu eröffnen. Als die kleine Familie 1937 nach Frankfurt zurückziehen möchte, macht das judenfeindliche Naziregime einen Strich durch die Rechnung; die chemische Fabrik wird beschlagnahmt und im Jahre 1939 aufgelöst. Die Heynemanns emigrieren in die USA. Im Jahr 1938 trennt sich das Ehepaar, Valeska geht auf Anraten ihrer Jugendfreundin Galka Scheyer nach Los Angeles. Zehn Jahr später begeht ihr Ex-Partner Selbstmord.

Stars in Alltagsposen
Um ihren Lebensunterhalten zu finanzieren, besinnt sich Valeska auf ihr Jugendhobby: das Fotografieren. Zunächst erhält sie den Auftrag Grundschulkinder zu fotografieren. Ihre unkonventionelle Art, die Schülerinnen und Schüler abzulichten, fällt auf. Unter den Müttern ist zufällig die Frau des Filmproduzenten David O. Selznik, die Valeska beauftragt ihre Tochter zu fotografieren. Auch weitere Hollywoodgrößen lassen ihren Nachwuchs von Valeska auf Zelluloid bannen. Im Laufe der Zeit kann die Künstlerin von ihrer Arbeit leben und kauft sich 1942 ein Haus. Zwei Jahre später erhält sich die amerikanische Staatsbürgerschaft. Selznik schließlich erteilt der deutschen Fotografin den Auftrag für sein Studio tätig zu werden. Von 1947 bis 1953 war Valeska für verschiedene Hollywood-Studios im Einsatz; ihr Markenzeichen: Starts in Alltagsposen abzubilden. Und alle „Großen“ sind dabei: Burt Lancaster, Ava Gardner, Elizabeth Taylor, Gregory Peck, Danny Kaye, Louis Jourdan, Greta Garbo und Joseph Cotton, um nur ein paar zu nennen.

Zuerst war die Glamour-Fotografie
Bevor sich Stars von Lette Valeska abbilden ließen, herrschte in Hollywood das Diktat der Glamour-Fotografie. Die Fotografen der Stars wurden von den Studios ausgesucht. Die richtigen Bilder zu schießen konnte auch gut und gerne mal 10 – 12 Stunden dauern. So lange eben, bis die Pose, das Licht und die damit verbundene makellose Image stimmte. Der Fotograf George Harrell galt seinerzeit als Meister der Retusche. Journalisten wurden geradezu mit dieser Art von Aufnahmen bombardiert, bis zu 100.000 Fotos wurden allein von MGM pro Star produziert. Mit dieser Überhäufung von Bildaufnahmen wollte man sicherstellen, dass die Presse beschäftigt ist und keine ungewollten Fragen stellt.

Das Arbeiten für Studios war zu der Zeit ein reines Männergeschäft. Neben Lette Valeska war
Ruth Harriet Louise die einzige Fotografin. Louise arbeitete von 1925 bis 1930 in Hollywood; 1940 verstarb sie. Valeska gab 1953 ihren Presseausweis ab. Warum genau ist nicht bekannt. Hierzu gibt es zwei Thesen: Zum einen könnte der Grund gewesen sein, dass sie in einer Männerdomäne arbeitete. Zum anderen könnte es aber auch daran gelegen haben, dass die im Jahre 1945 gestorbene Galka Scheyer Valeska zur Nachlassverwalterin erkoren hatte und die Fotografin mit dieser Aufgabe ausgelastet war. Mit 70 Jahren beginnt Valeska mit der Malerei und Bildhauerei, die sie sich autodidaktisch aneignet. Thematisch verarbeitet sie die Verfolgung der Juden in ihren Arbeiten.

Bundesverdienstkreuz erster Klasse
Für ihre Verdienste um Scheyer erhielt Lette Valeska mit 88 Jahren das Bundesverdienstkreuz erster Klasse. Gerne hätte sie im Zuge dieser Verleihung nochmals ihre Heimatstadt Braunschweig besucht – tatsächlich erhielt sie aber keine Einladung. Zwölf Jahre später, kurz vor ihrem 100. Geburtstag verstirbt die Künstlerin in Los Angeles. Damit geht das Leben einer beeindruckenden und starken Frau aus Braunschweig zu Ende. Am Petritorwall 2, dem letzten Domizil der Familie, befindet sich eine Erinnerungstafel; am Bruchtorwall 1 ein Stolperstein der Künstlerin.

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