Ausstellung: Brodmann im Braunschweigischen

Christina/ Januar 13, 2025/ Kultur

Zurzeit läuft eine Doppelausstellung in Braunschweig. Zum einen gibt es „Brodmann Classic“ im Museum Hinter Aegidien zu sehen. Zum anderen wird „Brodmann weltweit“ im Städtischen Museum am Löwenwall gezeigt. Ich habe mich an diesem kalten Sonntag für die Braunschweiger Version mit Führung entschieden. Und das ist eine gute Wahl, denn, Brodmann selbst ist an diesem Tag vor Ort.

Nachdem die weitestgehend veranstaltungslose Zeit zwischen den Jahren und zu Beginn von 2025 überstanden ist, kann ich mich endlich wieder ins Kulturleben stürzen. Es ist Sonntagnachmittag. Draußen herrschen eisige Temperaturen. Ein guter Zeitpunkt also, um ins Museum zu gehen. Gegen 15 Uhr haben sich einige interessierte Bürger im „Klostermuseum“ Braunschweig eingefunden, um sich durch die Retrospektive von Brodmanns Werk führen zu lassen.

Die Historikerin Margot Ruhlender navigiert uns eine knappe Stunde durch das Oeuvre von Brodmann. Zunächst geht es in den ersten Stock des Gebäudes. Wir starten mit den Anfängen des Künstlers. Wir erfahren, dass familiäre Bande dazu führte, dass Brodmann sich früh für eine Karriere in der Fotografie entschied. Geboren in Hohne bei Celle führte ihn seine Karriere zunächst zu Köhler und Lippmann, einer geographischen Kunstanstalt, wie es im damaligen Sprachgebrauch hieß. Heute würde man von einer Werbeagentur sprechen.

„Da sind mir die Neger lieber“
Nach einigen, wenigen privaten Fotos geht es ans Eingemachte. Es geht um die 68er-Proteste anlässlich des Kriegs der USA in Vietnam. In Braunschweig fanden ebenfalls Kundgebungen statt, die, so Ruhlender, mit sehr skeptischen Blicken von der älteren Bevölkerung verfolgt wurden. Sätze wie: „Da sind mir die Neger lieber“ sollen damals gefallen sein.

Charakterlich verludert
Weitere politische Dokumentaraufnahmen zeigen sowohl Willy Brandt als auch Herbert Wehner bei einer Veranstaltung in Braunschweig im Jahre 1970. Dazu muss man wissen, dass das Verhältnis zwischen dem Lebemann Brandt und dem konservativen Wehner alles andere als harmonisch war. Als „charakterlich verludert“ soll Wehner wohl seinen Parteikollegen bezeichnet haben. Auch Ruhlender bestätigt uns, dass Brandt Wehner zu flatterhaft gewesen sei.

Genschern
Auch mit den nächsten Bildern bleiben wir im Bereich der Politik. Diesmal geht es um das Verhältnis von drei Parteien: CDU, SPD und FDP. Was heute für die FDP der Christian Lindner ist, war es in der damaligen Zeit Hans-Dietrich Genscher. Von Genschers Wendehalspolitik soll wohl der Ausdruck „Genschern“ beim Doppelkopf-Kartenspiel stammen.

Panoramafotografie
Wir verlassen die politische Bühne und kommen in den Bereich der Ausstellung, dem Brodmanns Fokus gilt: der Panoramafotografie. Der Legende nach soll der Künstler erstmals über eine Kollegin mit dem Sujet in Berührung gekommen sein. Besagte Kollegin hatte aus der DDR eine Fotografie mitgebracht, die das Interesse des Fotografen nachhaltig beeinflusst hat. Aufgenommen mit einer sowjetischen Kamera namens „Horizont“ war die beeindruckende Aufnahme entstanden. Später greift Brodmann zu einer Widelux und schießt seine Fotos mittlerweile digital.
Fun Fact am Rande: Der amerikanische Schauspieler Jeff Bridges hat wohl als Kind mit der Widelux fotografiert und soll nun ein Revival der Kameramarke planen.

Braunschweigs B-Seite
Nun kommen wir nach Braunschweig. Brodmann soll es wohl gestört haben, dass Braunschweig in erster Linie mit Heinrich dem Löwen in Verbindung gebracht wird. Aus diesem Grund entscheidet sich der Fotograf in seinen Bildern die weniger bekannten Ecken Braunschweigs, also die sogenannten B-Seiten, festzuhalten. So wird er z.B. im Siegfriedviertel fündig oder auch in den Ruinen der Wilke-Werke.
Brodmann selbst sagt dazu Folgendes: Als das Museum für Fotografie in Braunschweig gegründet wurde, habe er damit begonnen, Aufnahmen von der Stadt zu machen. Den Löwen wollte er aber nicht porträtieren und hat sich deshalb für weniger bekannte Ecken der Stadt entschieden. So habe er selbst neue (B-) Seiten Braunschweigs entdeckt.

Corona und Arbeitsmigration
Die letzten beiden Stationen in der ersten Etage widmen sich zwei aktuelleren Themen: systemrelevanten Berufen in der Corona-Zeit zum einen und Arbeitsmigration in 2012 zum anderen. Ruhlender gibt hier eine Anekdote zum Besten, die ich später auch nochmals von Brodmann selbst höre, nämlich, wie er zwei Jahre auf eine Genehmigung warten musste, um einen Arbeiter bei der Salzgitter AG fotografieren zu dürfen. Seine Kontakte zu einem Betriebsratsmitglied haben ihm schließlich die Tore geöffnet.
Arbeitsmigranten aus dem Irak, China oder aus Eritrea hat Brodmann sowohl in Ihrem beruflichen als auch in ihrem privaten Umfeld abgelichtet. Unter anderem wird eine Familie aus Eritrea gezeigt, die nach Sickte migriert ist und auch heute dort noch lebt. An dieser Stelle wird Ruhlender den Hinweis auf die Titelgestaltung der Ausstellung. „Auslöser“ ist quasi ein Teekesselchen. Es geht nicht nur um ein Synonym für das Drücken auf das Kameraknöpfen, um eine Aufnahme zu tätigen. Nein, es geht auch darum, was das jeweilige Foto im Betrachter auslöst.

Fotografie ist Ästhetik
Zum Schluss geht es in den Keller. Neben einem dreiminütigen Film über den Künstler sind hier seine „Barockstilleben á la Niederlande“ zu sehen. Als ich später noch in die Führung von Brodmann selbst durch die Ausstellung stolpere, bekomme ich zufällig seine Erläuterung mit, wie er zur Blumenfotografie gekommen ist.

Nachdem er ein Haus in Wolfenbüttel gekauft hatte, fehlte ihm die Zeit, um für seine Aufnahmen unterwegs zu sein. Da hat er aufgrund der knappen Zeit mit den Blumenarrangements begonnen. Das heißt an dieser Stelle werden keine Situationsaufnahmen gezeigt. Nein, die Bilder sind gestellt. Angeblich werden Blumen auf schwarze Pappe gelegt, darauf kommt eine Glasscheibe und dann wird von unten durch das Glas fotografiert. Das klingt interessant.
Und nun da ich die Kombikarte ergattert habe werde ich mir selbstverständlich auch den zweiten Teil der Ausstellung im Städtischen Museum zu Gemüte führen. Vielleicht schon am kommenden Sonntag.

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