Corona-Tagebuch: Der lange Marsch durch den Naturpark Elm-Lappwald

Christina/ April 13, 2020/ Alltagsgeschichten

Heute Morgen war das Aufstehen nicht ganz so einfach. Ich merke, dass mir die Gräten ganz schön wehtun. Die lange Wanderung durch den Naturpark Elm-Lappwald fordert ihren Tribut: 6,5 Stunden waren wir auf den Beinen. Gemäß der Wanderbeschreibungen hätten die beiden Touren, RW34 und RW28, so um die 19 km zusammen gehabt. Irgendwie sind es dann wohl doch mehr geworden. Ich glaube die Wanderwege rund um Warberg und Räbke kennen wir jetzt ganz gut.

Zurück ins Mittelalter
Wir fahren zunächst nach Warberg, einen Ort, den noch aus meiner Kindheit kenne. Die Eltern einer Schulfreundin haben hier einen Bauernhof. Auf der Burg Warberg bin ich jedoch bestimmt seit 30 Jahren nicht mehr gewesen. Klar, dass sich hier einiges geändert hat. Die Burg ist sehr schön hergerichtet und dient mittlerweile als Hotel und Ausbildungsstätte. Die eigentliche Alte Burg Warberg befindet sich ca. 2 km vom Ortskern entfernt und stellt an diesem Tag unser erstes Wanderziel dar. Direkt von der Burg gelangen wir über den RW34 zunächst an den Waldrand. Von dort geht es immer geradeaus und schließlich rechts hoch zur Burgruine. Außer ein paar Infotafeln und einem rekonstruierten Brunnen erinnert nichts an die ehemalige Anlage. Es gibt einen netten Rastplatz, der ist aber schon von weintrinkenden Wanderern an diesem Tag belegt – Abstand halten!

Der lange Weg zur Schunterquelle
Wir gehen zurück zum Hauptweg und laufen leider zunächst in die falsche Richtung. Laut Beschreibung hätten wir nun auf dem RW11 Richtung Schunterquelle weiterwandern sollen. Der war aber nirgends ausgeschildert. Als uns das Ganze “spanisch” (oder besser “warbergisch”?) vorkommt, fragen wir zwei Radfahrer nach dem Weg. “Ja, gehen Sie am besten den Weg zurück, immer geradeaus. Dann kommen Sie rechter Hand zu einer Holzbrücke. Die überqueren Sie und kommen dann zu ein paar Teichen. Da ist auch ein Parkplatz. Von dort geht es zu der Quelle – es gibt wohl mehrere. Ist aber schwer zu finden”, erklärt uns der Mann. Also wandern wir den Weg zurück und stellen fest, dass wir eine Abzweigung übersehen hatten, weil das Schild, aus der Richtung aus der wir gekommen sind, nicht zu sehen war. Schnell kommen wir an den Parkplatz mit den Teichen (Bornteich) und erreichen von dort aus 3,7 km später auch gut die Schunterquelle.

Durch das Brunsleberfeld
Nun sind wir bereits auf unserer Hauptwanderroute, dem Rundweg 28. Noch sind wir guten Mutes. Wir kommen an einer Gartenkolonie vorbei und werden von einem netten Herrn angesprochen, der gerade im Garten arbeitet. Er erzählt uns, dass die Schunterquelle nur im Frühling und Sommer sprudeln würde, im Herbst und über den Winter versiegt sie. Oh, da haben wir ja Glück gehabt, dass wir das volle Programm erleben durften. Der nette Herr hätte uns gerne noch auf einen Kaffee eingeladen, aber klar, Corona eben. Schade, das war eine wirklich nette Begegnung, die ich in Zeiten des Kontaktverbots besonders zu schätzen gelernt habe.

Wir überqueren die Landstraße und münden ein auf den Hagenweg (auch Tetzelweg genannt). Der Hagenweg verläuft ziemlich gerade durch den Wald. Jetzt merken wir, das die Strecke länger und länger wird und unsere Beine langsam immer müder. Hm, ich schaue auf die Karte. Tja, das sind noch einige Kilometer, die wir zurücklegen müssen, mindestens 10 km. Ich schaue nach einer Abkürzung. Nun ja, da müssten wir ein Stück an der Straße entlang gehen. Wir wandern erstmal weiter. Schließlich erreichen wir das Watzumer Häuschen. Das erkenne ich wieder, hier war ich schon öfters. Jetzt wird mir klar, dass es von hier aus noch mindestens 10 km sind – das behalte ich aber erstmal für mich. Ich bin jetzt doch schon etwas müde und denke leicht sorgenvoll über die noch vor uns liegende Strecke nach.

Bloß keinen Umweg vermeiden
Zum Glück schlage ich an der richtigen Stelle vor, die Straße zu nehmen. Als wir an der Straße sind erkennen wir nämlich, dass der Wanderweg auf der anderen Seite weitergeht. Puh, sonst wären wir vermutlich erstmal in einer Parallelwelt gelandet. Wir wandern nun doch weiter durch den Wald. Noch denke ich, jetzt kann es zur Schunterquelle ja nicht mehr so weit ein. Pustekuchen, denn da entdecke ich das Schild: Noch drei Kilometer bis zur Schunterquelle und von dort sind es ja nochmals fünf bis zum Auto! Oh je, jetzt bin ich doch etwas angespannt. Nun hilft ja nichts, Zähne zusammenbeißen und Reserven mobilisieren.

Kurz vor der Schunterquelle haben wir nochmals Glück: Ich erkenne unseren Hinweg wieder, sodass wir abkürzen können. Denn wir müssen ja nicht zur Schunterquelle zurück, sondern nach Warberg. Nochmal gut gegangen. Allerdings, da habe ich mich zu früh gefreut. Wir biegen am Waldrand rechts in die Rundwanderwege 9 und 10 im Glauben, die führen wieder zum Bornteich. Ja, leider zu vorzeitig abgebogen. Der eigentliche Weg wäre noch ein Stück weiter geradeaus gegangen. Der eingeschlagene Weg kommt mir überhaupt nicht bekannt vor. Meine Beine werden immer schwerer, mein Mut sinkt und es wird immer stiller zwischen uns. Jeder ist in seinen Gedanken versunken und möchte vermutlich nur noch zurück zum Auto.

Bis nach Schöningen?
Wir erreichen abermals die Landstraße. Ich hoffe, etwas wieder zu erkennen. Oh je, rechts geht es schon in den Landkreis Wolfenbüttel, also, das ist die ganz falsche Richtung. Nach links verläuft der RW9 weiter, allerdings in Richtung Schöningen und Schöningen liegt nicht gerade in der Nähe von Warberg. Und weit und breit natürlich niemand, den wir nach dem Weg fragen können. Jetzt gehen uns doch etwas die Nerven durch. Wir kriegen uns kurz darüber in die Haare, wie es nun weitergehen soll. Wir stapfen dann wortlos Richtung Schöningen weiter. Wenn das mal gut geht. Den Weg von Schöningen nach Warberg schaffe ich auf keinen Fall mehr und Taxis fahren derzeit ja nicht. Ich merke Panik in mir aufsteigen. Außerdem geht es bereits auf 19 Uhr zu, also ist es auch nur noch eine gute Stunde hell. Ich überlege, ob ich auf die Straße springen soll, um ein Auto anzuhalten und nach dem Weg zu fragen. Aber, wer hält in Zeiten von Corona schon an der Straße an?

Ich versuche meine hektischen Gedanken zu ordnen und schicke ein Stoßgebet Richtung Himmel. Und wir haben wieder Glück: Nach ca. 5 Minuten des Bangens kommen wir wieder an eine Überquerung, die wir wiedererkennen. Da waren wir heute Mittag schon einmal. Eine glückliche Fügung schickt uns dann noch einen Jogger vorbei, der bestätigt, dass wir immer nur geradeaus gehen müssten und dann zurück nach Warberg kämen. Oh, mir fällt ein Stein vom Herzen. Jetzt ist nur noch die Frage, wie wir aus dem Schweigen zwischen uns wieder herauskommen. Aber auch das geht gut.

Landschaft im Abendlicht
Zunächst laufen wir aber schweigend unserem Ziel entgegen. Als wir den Waldrand erreichen haben wir einen wunderschönen Blick auf Warberg und die Burg, beides wird von der warmen Abendsonne erleuchtet. Wir zücken unsere Kameras und machen die letzten Fotos. 10 Minuten später haben wir es geschafft. Auf dem Heimweg kriegen wir dann zum Glück die Kurve und kommen wieder ins Gespräch. Was soll ich sagen, der Stein, den ich am Anfang unserer Wanderung fotografiert habe, hat einfach die Wahrheit gesagt: “Kein Weg ist lang mit einem Freund an der Seite.”

Frohe Ostern allen!

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