Corona-Tagebuch: Fauxpas im Kloster Marienrode

Christina/ Juni 22, 2020/ Alltagsgeschichten

Die Erkundung der heimischen Umgebung setzt sich fort. Heute wollen wir das Zisterzienser-Kloster Marienrode im gleichnamigen Ortsteil von Hildesheim für uns entdecken. Die anschließende Wanderung führt uns von dort durch den Hildesheimer Wald und über den Lerchen-, Finken- und Gallberg zurück zum Ausgangspunkt. Gleich in der Klosterkirche St. Michael erleben wir eine böse Überraschung und auch der am Besucherparkplatz avisierte Biergarten des Klosters zeigt sich uns an diesem Tag nicht. Warum wir trotz anfänglicher Schwierigkeiten aber dank hilfsbereiter Marienroder Bürger einen schönen Wandertag erleben, davon möchte ich euch heute berichten.

Zwei Herren mit Hund
An diesem Sonntag erwischen wir mal wieder bestes Kaiserwetter. Eine Internetrecherche nach Wandermöglichkeiten bei und um Hildesheim hat mich u.a. auf die Seite des “Sachsenkriegers” geführt. In auschweifender Prosa beschreibt er dort einen – nicht markierten – Rundwanderweg, der von Marienrode im Hildesheimer Wald über drei Berggipfel führen soll. Nun, die Kombination aus Klosterbesuch und Wanderung finden wir beide reizvoll, also stürzen wir uns ins Abenteuer. Bei der Anfahrt finden wir den Ortsteil Marienrode nicht sofort, aber zwei nette Herren mit Hund helfen uns gerne weiter. Gegen Mittag erreichen wir die weitläufige Klosteranlage und sehen sogleich das Hinweisschild zum Biergarten. Damit ist der “After-Trekking-Teil” gesichert.

Sonderbar statt wanderbar
Da mir die Beschreibung des Sachsenkriegers beim ersten Durchlesen der Tourenbeschreibung eher sonderbar als wanderbar vorkam, wollten wir zunächst dem Klosterladen einen Besuch abstatten. Auf der Internetseite wird mit Rad- und Wanderkarten geworben. Nun, leider hat der Laden sonntags geschlossen (schon wieder sonderbar), also müssen wir uns doch auf unser Wandergespür verlassen. Gleich gegenüber liegt die mächtige St. Michael Klosterkirche. Hier wollen wir dann unseren Rundgang über das Gelände beginnen. Ute setzt ihren “Snutenpulli” auf und los geht’s.

Verwirrung in der Michaelskirche
Der Eingang zum Kirchenschiff ist eine Glastür. Auf diesem Zugang klebt ein Zettel. Ohne zuerst genauer hinzuschauen, vermute ich zunächst den üblichen Hinweis auf die Maskenpflicht. Weit gefehlt. Nun erkenne ich den arabischen Buchstaben “Nun“, sozusagen das deutsche “N”. Über den Text unterhalb des Buchstabens bin ich völlig entsetzt. Ganz aus dem Zusammenhang gerissen und ohne Hintergrundinformationen wird dem Besucher an der Stelle erklärt, dass Araber mit diesem Buchstaben die Häuser von Christen markieren, um diese zu vertreiben und gegebenenfalls zu töten. Weiter keine Erklärung und keine Einordnung des Schilds auf Ereignisse im Irak im Jahr 2015, als die Terrororganisation “Islamischer Staat” noch am Ruder war. Auch auf der Internetseite des Klosters findet sich kein Hinweis, der eine Beschreibung liefern würde.

Quid pro quo?
Im Internet recherchiere ich schließlich, was es mit dem Buchstaben “N” in diesem Kontext auf sich hat. Was soll diese Aktion, so frage ich mich, in Zeiten, wo die Fronten zwischen den Religionen sowieso bereits angespannt sind und jede Menge Pauschalisierungen über Araber bzw. Muslime im Westen kursieren? Was will die katholische Kirche damit bezwecken? Will man im Stile eines Donald Trump von den eigenen (zahlreichen) Missetaten ablenken, indem man mit dem Finger auf andere zeigt?

Folgen Sie Robert Bosch
Wir verlassen das Klostergelände. Während ich noch einen schönen Rosenstrauch fotografiere, sehe ich aus den Augenwinkeln wie Ute bereits mit einem Herren der freiwilligen Feuerwehr im Gespräch ist, um nach dem Wanderweg zu fragen. Wir folgen zunächst der Markierung “R” für Rennstieg und gelangen so recht schnell in den Hildesheimer Wald. Allerdings verlassen wir diesen auch wieder genauso schnell und kommen an einer großen Straße heraus. Die Beschreibung des Sachsenkrieges verwirrt uns an dieser Stelle vollends: “Wir nähern uns der Robert-Bosch-Straße, gehen bei der ersten Gelegenheit links auf den Radweg, ein Stück zurück bis in die Kurve … und suchen den ziemlich versteckten Eingang in den Lerchenberg.” Da sind wir raus und erproben die gute alte Methodes des “Nach-dem-Weg-Fragens”.

Wir wandern Richtung Sorsum und tauchen wieder in den Wald ein. Als wir diesen linkerhand verlassen stehen wir auf dem Radweg nach Sorsum, der an einer Ausfallstraße entlang führt. Und jetzt? Wir sprechen zwei ältere Herrschaften an. Während sie offen zugibt, keine Ahnung zu haben, schickt er uns auf die andere Waldseite. Wir sollen geradeaus und dann rechts gehen, der Weg führe dann auf einen Kamm und in Richtung Sorsum zum Gallberg. Wir maschieren los uns landen nach kurzer Zeit bei “Wulf’s Schlemmerimbiss” bzw. an seinem Wurstwagen. Ja ist denn schon wieder Weihnachtsmarkt, denke ich? Hier kommen wir nicht weiter. Nochmals bemühen wir ein paar nette Einheimische und diesmal haben wir Glück. Der nette Mann befragt sein Smartphone. Nun erfahren wir endlich, dass der Finken- und der Gallberg auf der anderen Straßenseite liegen und uns ein Feldweg dorthin führt.

Sie haben aber ein Gerät dabei?
Den besagten Feldweg finden wir schnell. Wir versichern uns nochmals bei Anwohnern, dass wir auf der korrekten Strecke sind, dann können wir endlich vollends loslegen. Eine Weile lang geht alles richtig gut und wir genießen den Weg und die Umgebung. Dann gelangen wir wieder an eine Gabelung, ohne Ausschilderung natürlich. Zwei Hipster kommen entlang des Weges und ich feixe noch: “Na, die kennen wahrscheinlich die neueste Smartphone-Generation aber nicht den Weg zum Gallberg.” Nun, den Gallberg kennen sie tatsächlich als wir dann allerdings nach dem Rückweg nach Marienrode fragen, kommen sie in Schwimmen. Zögerlich fragen die beiden: “Aber Sie haben doch sicherlich ein Gerät dabei?”. Peinlich berührt, weil hier ein Klischee bedient wird, blicken wir zu Seite und verneinen.

Die Kirschen in Nachbar’s Garten
Wir maschieren weiter Richtung Gallberg und halten einen Mountainbiker an. Er versichert uns, dass wir richtig liegen. Als wir den Waldrand erreichen sind wir doch noch einmal verunsichert und sprechen ein weiteres Pärchen an. Wir erfahren, dass wir fast am Naturschutzgebiet Gallberg sind – Heureka. Als wir den Fuß des “Berges” erreichen laufen rechts auf den Kamm. Hier beginnt der schönste Teil der Wanderung. Der Blick auf Hildesheim und Umgebung ist wirklich beeindruckend und entschädigt für die bisherige Odyssee.

Auf dem Weg zum Kamm kommen wir noch an herrlichen Kirschbäumen vorbei und halten uns hier erst einmal gütlich. Leider sind die erreichbaren Äste schon etwas abgegrast.

Déjà-vu bei Sorsum
Wir kommen wieder in den Hildesheimer Wald und fragen ein letztes Mal nach dem Weg zurück. Immer geradeaus heißt es da. Na, das ist ja einfach. 10 Minuten später haben wir ein Déjà-vu. Wieder ist die Ortschaft Sorsum im Blickfeld, auch die Kreuzung erkenenn wir wieder. Nun gut, dann gehen wir halt denselben Weg zurück. Schade, dass wir wohl den anvisierten Panoramaweg verpasst haben, aber vielleicht klappt es ja beim nächsten Mal.

Zum Schluss unserer Tour übermannt uns noch einmal das Glückgefühl. Wir haben die Abzweigung in den Wald gefunden, die wir anfangs verpasst haben. Na bitte, es geht doch! Nach gut 4,5 Stunden sind wir wieder am Kloster Marienrode. Weder vom Hofcafé noch vom Biergarten ist weit und breit etwas zu sehen, dafür bestaunen wir zum Schluss noch die Grabstätte der Gräfin und des Grafen von Egloffstein, die immerhin zum engsten (!) Freundeskreis von Goethe zählten.

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