Im Spiegel der Absurditäten

Christina/ Juni 29, 2011/ Philosophisches

Spiegel Online hat kürzlich den Artikel “Trüffelpasta mit Wüstenblick” über das vermeintlich höchste Restaurant der Welt und seine Extravaganzen veröffentlicht. Der Artikel selbst bringt nichts Neues, außer den üblichen Superlativen, auf die sich die westliche Presse im Zusammenhang mit „Kuriosem“ aus dem Wüstenstaat eingeschossen hat.

Bemerkenswert hingegen ist die beachtliche Anzahl von Kommentaren am Ende des Artikels, die der Beitrag hervorgerufen hat. Es sind 29 Kommentare an der Zahl. Das mag erst einmal nicht überraschen. Vergleicht man diese Menge jedoch mit der Anzahl der Kommentare, die vergleichbare Artikel wie „Was Griechenland Urlauber erwartet“, „Easyjet-Piloten wollen zum Ferienbeginn streiken“ oder auch „Roboter ersetzen den Hotelpagen“ erhielten, nämlich Null Kommentare, dann bekommt die Zahl 29 ein anderes Gewicht.

Auf Sand gebaut?

Mag die Anzahl der Kommentare noch beachtlich sein, so ist die Art der Kommentare erschreckend. Am auffälligsten ist, dass die Kommentatoren, die meinen mal wieder in das Horn blasen zu müssen, dass Dubai ein menschenverachtendes Land sei (darauf hat sich die Presse ja mittlerweile geeinigt, nachdem „höher-weiter-schneller“ nicht mehr zur Finanzkrise passte), es selber mit dem Respekt gegenüber Ihren Mitautoren nicht so genau nehmen. Oder wie sonst soll man sich einen solchen Schreibstil (Zitat!) erklären: „Viele haben ein Brett vor dem Kopf, manche einen Balken. Was in Ihrem Posting beeindruckend zu erkennen ist.“ Alles natürlich schön anonym.

Auf die Art der einseitigen, manchmal gehässigen, teilweise naiven und oft stereotpyen Argumentation möchte ich mit diesem Artikel Bezug nehmen:

  1. Zum Thema Gehässigkeit: “Ansonsten wird der Sand der Wüste die leerstehenden Hotels und Bürogebäude wieder unter sich begraben.“

    Ist das eine Prophezeiung oder eine Hoffnung? Mir ist bis heute nicht deutlich geworden, warum die Leute solche Probleme mit der Architektur in Dubai haben. Über die Hässlichkeit eines Las Vegas lässt sich hier doch auch keiner aus. Ob das „Spielermekka“ wohl auch mal in der Wüste versinkt? Anders gefragt, was unterscheidet Dubai denn mit seinen Expansionsplänen von anderen Städten und Ländern? Ist der Bauboom nicht vielmehr eine Reaktion auf das, was der Westen, besonders die USA, jahrzehntelang gepredigt haben? Sei Kapitalist und stolz darauf? „Money first“, ist das nicht inzwischen das Credo vieler Menschen? Kann es, dass uns Dubai einen Spiegel vorhält, aus dem uns die ungeliebte Kapitalistenfratze anschaut?

  2. Zum Thema Solidarität: “Wie wäre es, wenn die neureichen Wüstensöhne mit ihrem vielen Geld mal etwas Vernünftiges anfangen würden? Ich hätte da einen Vorschlag: es könnte doch ein Teil der Milliarden in die palästinensischen Gebiete fließen und dort eine Wirtschaftsstruktur aufbauen helfen, die den Palästinensern wirkliche und vor allem dauerhafte Zukunftsperspektiven bieten.“

    Spontan drängt es mich, dem Verfasser dieses Eintrags zuzurufen: Vielleicht machen die Wüstensöhne das aus denselben Gründen nicht, aus denen die Boni-Banker keine Hartz IV-Empfänger unterstützen und damit Teilen der deutschen Gesellschaft eine Perspektive geben? Als Zweites liegt mir auf der Zunge zu fragen, wie naiv der Schreiber eigentlich ist. Glaubt „montaxx“ wirklich – so sein Pseudonym -, dass die israelische Regierung massive Baumaßnahmen und Aufbauhilfen aus arabischen Ländern in Palästina, der Staat ist nicht mal offiziell anerkannt, billigen würde? Nur zur Erinnerung bitte diese zwei Artikel lesen: „Streit um Arafats Flughafen“ und „Neuer internationaler Flughafen für Palästina“.

  3. Das Leben auf Kosten Anderer

  4. Zum Thema Bauwahn: “… als immer höhere Hotelpaläste in die Wüste zu setzen in der vagen Hoffnung, all dies würde die touristischen Massen ins Land holen …“.

    Tut es ja offensichtlich (http://www.dubai-pg.com/). Wahrscheinlich sind das besonders die Leute, die immer bei allem die Ersten sein wollen: auf dem höchsten Turm der Welt, in der größten Shopping Mall der Welt, im teuersten Hotel der Welt. Komischerweise laufen das viele „Westler“ rum, so jedenfalls meine Beobachtung.

  5. Zum Thema Ausbeutung der Armen: „Solange dieser Bauwahnsinn größtenteils auf Kosten der Armut Anderer gründet ist und solange sich diese Fressereien nur ein Häufchen Leute leisten kann, fehlt es mir an Motivation so etwas toll zu finden. Außerdem werden hier Ressourcen für Blödsinn verschwendet.“

    Gut gebrüllt, Löwe“! Ich frage mich allerdings, wie sich dieser Kommentator z.B. die günstigen bis billigen Preise in den deutschen Supermärkten im Vergleich zu Frankreich oder Italien erklärt. Produzieren wir einfach billiger? Oder ob er sich mal gefragt hat, wer seinen Spargel für „günstig“ erntet: „Deutsche Löhne sind polnischen Hilfskräften zu niedrig“. Wenn das nicht paradox ist: Die gesamte so genannte erste Welt lebt seit Jahrhundert bequem auf Kosten der ärmeren Länder und im Falle Dubai regt sich plötzlich das schlechte Gewissen? Dazu zwei Artikel: „Ausbeutung der dritten Welt, die Grundlage für Lebensstandard“ und „Die Ökobank und die Dritte Welt“. Auch hier meine Frage: Hält uns Dubai nicht einfach den Spiegel vor?

  6. Brave new world?

  7. Zum Thema Menschenrechte: „Dubai ist ein Phänomen. Seit 1985 bin ich regelmäßig dort und es ist faszinierend und anwidernd zugleich. […] In den 80er Jahren wollte man dort ja noch Arabien entdecken, gleich hinter dem Flughafen war dann die Bellydanceshow. Heute muss man schon ein Stück weiterfahren, um russische Tänzerinnen und pakistanische Beduinen zu bewundern.“

    Komisch, das gleich dachte ich bei einer Radtour entlang der Elbe, als ich plötzlich, kurz nach der Überquerung der deutsch-tschechischen Grenze, die ersten „Vergnügungslokale“ entdeckte. Seltsam, dass die davor geparkten Autos alle deutsche Kennzeichen hatten. Aber das war bestimmt nur das Reinigungspersonal. Auf andere westliche „Tugenden“, wie das Reisen in thailändische Bordelle, wo Minderjährige geile Ausländer befriedigen müssen und Kinderpornographie im Internet, möchte ich hier gar nicht näher eingehen. Im englischen Sprachgebrauch nennt man so etwas „double standards“. Mein Tipp: Vielleicht einfach mal googeln, was damit gemeint ist.

  8. Zurück zum Ausgangspunkt des Streits: „Wie lebensüberdrüssig muss man sein, um sich in so einem klimatisierten Kasten am Rand der Wüste zu setzen (und dort auch noch eigens hinzufliegen)?“ Wahrscheinlich so bekloppt, wie die Leute, die sich bei Spritpreisen um die 1,70 € ein benzinfressendes SUV kaufen? Oder die Leute, die sich von einer so genannten „Kultmarke“ zu absurden Preisen neben dem iPod, ein iPad und ein iPhone andrehen lassen, obwohl die Funktionen nahezu identisch sind und gleichzeitig nicht merken, wie der Hersteller den Markt beherrscht und die Leute manipuliert?

Wir sollten nicht vergessen, dass sehr viele Leute, auch aus Europa, freiwillig nach Dubai gezogen sind, als der Boom begann. Und dies nur aus einem einzigen Grund: um reich zu werden. Diese Leute haben sich nicht für die dortige Menschenrechtssituation interessiert. Alleine das Geld, das man dort schnell verdienen konnte, zählte. Jetzt, wo sich die Zeiten geändert haben und das Geld nicht mehr auf der Straße liegt, scheinen die Leute ihr Gewissen zu entdecken. Ich sage nicht, dass alles in Dubai zum Besten steht. Gleichfalls fällt mir aber auch kein Land auf dieser Welt ein, wo alles perfekt ist. Euch vielleicht?

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