Wanderungen in den Alpes de Haute Provence

Christina/ August 21, 2022/ Alltagsgeschichten, Kultur

Ich bin selbst sehr überrascht, wie viele Wanderwege sich in der Umgebung von Puimoisson befinden. Vor zwölf Jahren habe ich davon keine Notiz genommen. Zu sehr bin ich auf mein kleines Schwarzes, mein MTB, fokussiert gewesen. Aber dieses Mal habe ich mich auch verliebt. Zunächst in ein Grundstück. Dann in einen kleinen Fuchs, der uns täglich besucht hat. Und vor allen Dingen in die Ruhe und Stille vor Ort. Das Savoir Vivre, wie man es nur in einem Moment des Glücks finden kann, in dem man selbst mit sich im Reinen ist und seine Umgebung achtsam wahrnimmt. Solche Momente hat es in diesem Urlaub immer wieder gegeben und dafür bin ich dankbar. Und wieder einmal wird deutlich: Wandern ist für mich Meditation.

Der lange Weg nach Moustiers Sainte-Marie
Es ist heiß in diesen Augusttagen. Sehr heiß. In den Morgenstunden zwischen 8 Uhr und 10 Uhr ist es auf der schattigen Terrasse herrlich, aber wehe, wenn die Sonne kommt. Nicht wirklich früh, also so gegen 9:30 Uhr, starte ich meinen Gewaltmarsch. Das weiß ich zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht. Es soll eigentlich nur mal kurz nach Moustiers gehen. Am Aérodrome in Pui(moisson) gibt es einen Wegweiser – allerdings ohne Kilometerangabe. Ich maschiere los. Die Sonne macht dampf. Schatten gibt es kaum. Einen vorbeifahrenden Mountainbikefahrer frage ich, ob ich auf dem richtigen Weg bin. Er bestätigt mir die Richtung und schildert den Verlauf der Strecke. Dann sagt er die magischen Worte. Am Ende der Wanderung liefe man von oben herab nach Moustiers. Sofort läuft ein Film in meinem Kopf ab. Fantastisch, denke ich. Genau das will ich. Und wie heißt es so schön: Vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt. Oh ja. Noch nie hatte dieser Ausspruche eine realere Bedeutung für mich als an diesem Tag. Vielleicht hätte mir aber auch den Wunsch zu denken geben sollen, den mir der Radfahrer noch mit auf den Weg gibt. “Bonne courage” ruft er mir zu.

Working in a Coal Mine
Ich weiß nicht, wie oft ich auf dem Weg über das gesamte Plateau oberhalb von Puimisson und Moustiers ans Aufgeben gedacht habe. Aber allein der Gedanke, von oben herab auf eines der schönsten Dörfer Frankreichs hinabzusteigen, hat meinen Willen es zu schaffen auf wundersame aufrecht erhalten. Unterwegs wird die Hitze immer unerbittlicher. Ich gehe über Stock und Stein, laufe über Kilometer eine verwaiste Bergstraße entlang. Längst bin ich mir nicht mehr sicher, auf dem richtigen Weg zu sein. Dann nach drei Stunden sehe ich endlich das Schild. Noch vier Kilometer bis Moustiers. Okay, das ziehe ich jetzt durch. Der Abstieg in den Ort ist wirklich fantastisch. Auf der rechten Seite sehe ich den Lac de Sainte-Croix auf mich zukommen. Auf der linken Seite entdecke ich die ersten Häuser von Moustiers.

Über den Chemin de Courchon erreiche ich schließlich mein Ziel. Bereits von oben kann ich erkennen, dass der Ort an diesem Sonntag picke-packe voll ist. In den letzten zwölf Jahren scheint sich einiges getan zu haben. Es gibt wesentlich mehr Parkplätze, die alle voll sind. Ich begebe mich in die Ortsmitte. Ich bin auf der Suche nach einem Supermarkt, um Wasser zu kaufen. Ich finde nichts anderes als ein paar Kioske, die Getränke teuer verkaufen. Auf einer Bank ruhe ich mich einen Moment aus. In der Touristeninfo will ich mich anschließend informieren, wie ich am besten nach Puimoisson zurückkomme. Ich merke schon, dass diese Frage nicht allzu oft gestellt wird. Alles, was mir die Dame in der Einrichtung empfehlen kann, ist der Rückweg über das Plateau oder eben an der Autostraße. Ich könnte es auch per Autostopp versuchen. Keine wirkliche Alternative für mich. Da aber kein Bus fährt, bleibt mir nichts anderes übrig als die Straße zu nehmen. Meine Wasservorräte fülle ich noch auf, bevor ich mich an den 15 km-Rückmarsch mache.

Die Nachmittagssonne brennt mir gnadenlos auf’s Haupt. Die Strecke zieht sich hin. An einer Bäckerei mitten im Nichts erstehe ich neue Vorräte. Nach acht Stunden Wanderung und 30 Kilometern Strecke kehre ich einigermaßen erschlagen zu unserer Ferienwohnung zurück. Die gute Nachricht: Nach dem Bestehen dieser Feuerprobe wird es an den restlichen Tagen einfacher. Hier sind meine weiteren Wandertipps für die Region:

Pas de la Faille
Zwei Tage später versuchen wir uns am Pas de la Faille. Startpunkt ist das Forsthaus (Maison Forrestière du Serre) an der Serre auf 1100 HM. Von dort ist der Weg zum Pas de la Faille ausgeschildert. Es gilt gut 500 HM zu überwinden. Der Weg allerdings ist sehr schön und der Ausblick auf dem Pass entlohnt für die Mühe.

Saint Jurs
Von Puimoisson nach Saint Jours sind es ca. zwölf Kilometer. Die Strecke stellt keine Ansprüche an die Technik. Da der Pfad zum Teil im Schatten liegt, lässt sich die Wanderung auch bei Hitze machen. Im Ort Saint Jurs selbst, das sollte man vorab wissen, gibt es nur eingeschränkte Möglichkeiten, die Wasser- und Essensvorräte aufzufüllen. Ich selbsth habe leider genau den Ruhetag des einzigen Restaurants im Ort erwischt. Das ist der Mittwoch.

Saint Jurs ist ein kleiner, sehr ruhiger aber idyllischer Ort. 136 Einwohner zählt der Flecken. Das Dorf ist das höchstgelegene auf der Hochebene von Valensole. Dominiert wird Saint Jurs von der ehemaligen Burg und der Sankt-Georgs-Kirche. Der Ort ist auch ein guter Ausgangspunkt für weitere Wanderungen, z.B. auf den Sommet de L’Agra und du Montdenier.

Sentier Blanc-Martel
Der Sentier Blanc-Martel durch die Verdonschlucht gehört vermutlich zu den meist begangenen in der Haute Provence. Die Wanderung wird als schwierig beschrieben. Schwindelfreiheit und Trittsicherheit sollten vorhanden sein. Nun meiner Einschätzung nach, ist der Weg für geübte und trainierte Wanderer sehr gut zu bewältigen. Die einzige Herausforderung ist die Hitze.

Ach ja, der Rückweg vom Ende der Schlucht ist auch ein Problem. Egal, ob man nun am Chalet de la Maline oder am Point Sublime startet. Es gibt keine Möglichkeit des Rücktransports. Und da die einfache Strecke 14 Kilometer umfasst werden die wenigsten hin- und zurückgehen wollen. Nun, wir haben es am Chalet de la Maline mit Autostopp probiert, da das Lokal immer ganz gut besucht ist. Dabei haben wir Robert und Ellen aus den Niederlanden mit ihrer Tochter kennengelernt. Als sich im Gespräch herausstellt, dass die drei auch Segelflieger sind und wir sogar gemeinsame Bekannte haben, ist das Eis sofort gebrochen.

Hautes Baties de Cousson
Die schönste Wanderung für mich ist die Tour um den Cousson. Startpunkt ist das kleine Dorf Entranges. Von hier aus ist der Rundweg ausgeschildert. Zwar gilt es, über 700 HM zu bezwingen. Aber da die Tour so herrliche Ausblicke bietet und die Chapelle Saint-Michel de Cousson definitiv eine der spektakulärsten Sakralbauten ist, die ich je gesehen habe, vergißt man die Mühen schnell. Die Strecke wird jeden (Berg-)Wanderer begeistern – da bin ich mir sicher. Allein der Aufstieg von Entranges auf den Pass ist schon ein Traum. Langsam schlängelt man sich den Berg hoch, während Entranges immer weiter in die Ferne rückt. Sicherlich gehört die Strecke nicht von ungefähr zu den “Chemines du Soleil”. Prädikat: absolut empfehlenswert.

Gorges de Trévans
Eine weitere, absolute Empfehlung ist die Wanderung durch die Schlucht von Trévans. Die Gorges de Trévans ist sozusagen die kleine Schwester der Verdonschlucht. In dieser Klamm in der Nähe von Estoublon lässt es sich nicht nur gut wandern. Auch Baden und Picknicken ist hier ein Traum. Durch die Schlucht fließt die Estoublaisse, die immer wieder natürliche Schwimmbassins aufweist. Diese Schlucht ist definitiv ein Spaß für die ganze Familie.

Die Wanderrouten sind in der Schlucht ausgeschildert. Wer den Aufstieg nicht scheut und das Abenteuer liebt (so wie ich), der kann sich sowohl den steilen Aufstieg zur Chapelle Sainte-André als auch den langen und teilweise ausgesetzten Weg zur Pont Romain gönnen.

Crête de Géruen
Eine wirkliche Herausforderung ist die Rundwanderung zur Crete de Géruen oberhalb des Col de Fontbelle. Bereits die Anfahrt auf den Pass, die zum Schluss der Route du Temps folgt, ist etwas Besonderes.

Auf dem Pass selbst, der zum UNESCO Geopark Alpes de Haut Provence zählt, befindet sich ein sehr schöner Picknickplatz. Wir sind jedoch nicht zum Essen sondern zum Wandern hier. Der Weg auf die Crête ist sehr gut ausgeschildert, allerdings nicht zu unterschätzen. Die Pfade sind teilweise sehr schmal und zugewachsen. Man muss schon aufpassen, wo man hintritt. Auf dem Grad angekommen genießt man natürlich wieder einen herrlichen Ausblick. Der Weg ließe sich auf den Gipfel des Géruen fortsetzen. Allerdings sehen wir oben, dass von Westen ein schweres Gewitter im Anzug ist und wählen deshalb lieber den Abstieg.

Als Entschädigung gönnen wir uns auf dem Rückweg einen Abstecher in das Dorf Thoard, das mir auf dem Hinweg aufgefallen ist, weil es so malerisch auf einem Hügel über der Landschaft thront.

Le Colorado Provençal
Er wird auch als Grand Canyon der Provence bezeichnet, der Colorado Provençal mit seinen ockerfarbenen Felsformationen. Um das Terrain ausführlichst zu erkunden, haben wir uns eine Rundwanderung ausgesucht. Le Desert Blanc – La Doa Runde von Rustrel nennt sich die Tour. Allerdings ist es an diesem Freitag nicht nur sehr heiß, sondern auch recht schwül. Bereits die ersten Meter oberhalb von Rustrel müssen hart erkämpft werden. Da die “Ocres” erst am Ende der Tour erreicht werden, geht uns unterwegs aufgrund der Tatsache, dass es keinen Getränkestützpunkt gibt, schon einmal die Lust aus.

Aber am Ende hat sich die Anstrengung gelohnt, wie meine Bilder zeigen. Fun Fact am Rande: Wer sich für die Wanderung entscheidet, erspart sich den Eintritt auf das Gelände mit den Felsformationen. Für mich ist die Tour ein absolut gelungener Abschluss unseres Urlaubs. Auf der Rückfahrt machen wir zudem noch einen Stopp in dem Dorf “Viens” und erleben nochmals eines dieser herlich malerischen Bergdörfer Frankreichs, die mich einfach begeistert haben.

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