Utopia – Recht auf Hoffnung
Gibt es ein Recht auf Hoffnung? Und wenn ja, wäre es einklagbar? Im Kunstmuseum Wolfsburg ist am vergangenen Freitag (26.11) eine neue Ausstellung eröffnet wurden. „Utopia-Recht auf Hoffnung„, so ihr Titel. Und genau dieser Zusatz, das Recht auf Hoffnung, hat mich gleichermaßen irritiert als auch nachdenklich gemacht. Eine Internetrecherche bringt mich nicht wirklich weiter. Eine KI-generierte Antwort behauptet zwar, dass es so etwas Ähnliches gebe. Zumindest scheint es als Ergebnis der Fridays for Future-Bewegung ein „Recht auf Zukunft“ zu geben. Aber auch hier stellt sich sogleich die Frage: Wie will ich das als Bürger einklagen? Von den Verantwortlichen des Kunstmuseums selber heißt es, dass das Recht auf Hoffnung auch das Recht auf lebenswerte Zukunft impliziere.
Nun, vielleicht denke ich an dieser Stelle bereits zu kompliziert. Es mag sich jeder in der Ausstellung seine eigene Meinung bilden. Widmen wir uns zunächst den Fakten. Also, am Freitag eröffnet Andreas Beitin, seines Zeichens Direktor des Museums, die oben genannte Ausstellung vor einer wirklich ansehlichen Zuschauerzahl. Zunächst kommen die üblichen Dankesreden an die Kuratoren, die Künstler und die Förderer.
Utopien für eine bessere Zukunft
Im Anschluss geht es dann konkret um die Sache: Utopien für eine bessere Zukunft. Diese erläutert uns das Kuratoren-Duo Dino Steinhof und Sebastian Mühl. In der Ausstellung, so führen es die beiden aus, ginge es um viele Mikro-Utopien, die in ihrer Gesamtheit etwas Positives bewirken können. Ergo, es geht um angespannte Zeit, um wirtschaftliche Krisen, um Ängste vor neuen Kriegen und Konflikten und all die anderen Dinge, die das tägliche Leben erschweren. Hier sollen die Exponate zumindest Anregungen dafür bieten, wie es besser gehen könnte.
Das Ende des Sozialismus
Bevor wird die Ausstellungshallen jedoch betreten, kommen wir erstmal bei einem Glas Wein zur Ruhe. Der Ansturm ist anfangs so groß, dass es für uns keinen Sinn macht, sich hier „hinten anzustellen“. Die langen Öffnungszeiten an diesem Abend spielen uns dabei in die Hände. Nach einer Stunde hat sich die Masse durchgeschleust, sodass wir schließlich die erste Halle betreten. Zu Beginn werden wir mit etwas Historischem konfrontiert: Die Künstler Stephan Huber und Raimund Kummer haben das Ende des sowjetischen Staatsutopien mit 60 rostigen Sowjetsternen zementiert. Ein anderer Künstler ist den ehemaligen Todesstreifen an der deutsch-deutsch Grenze abgelaufen und hat seine „heilpflanzlichen“ Eindrücke festgehalten. In einer Video-Installation steht ein Ballon in Form einer riesigen geballten Faust im Fokus, stellvertretend für den kommunistischen Gruß, der nun ausgedient hat.
Der Blick in die Gegenwart
Nun ist die Schau aber nicht als historische Aufarbeitung gedacht. Vielmehr soll es um die zeitgenössischen Probleme und deren Lösung gehen. Es geht also um die Zukunft des Planeten, darum, wie wir als Gesellschaft zusammenleben wollen, um Artenschutz oder Recyclingwirtschaft und eben die Wege, die kreatives Schaffen dem entgegensetzen kann.
Ob Utopien oder nicht, es gab einige Kunstwerke, die mich fasziniert haben. Das war zum einen der Künstler, der Pflanzen buchstäblich vor einen Scanner gespannt hat und dadurch wundervolle Arrangements geschaffen hat. Ich glaube, am besten haben mir die Porzellanfiguren von „Mare Mediterraneum“ gefallen. Die überspitzten Darstellungen dekadenter Yachtfantasien haben mich an den Kinofilm „Triangle of Sadness“ des schwedischen Regisseurs Ruben Östlund, der wunderbar sarkastischen Bildern, die Entartung der „crazy rich“ zeigt. So ähnlich verhält es sich auch mit den Porzellanfiguren.
Beyoncé und die Weltraum-Hamster
Unter dem Motto „Solidarität der Arten“ tritt die leider bereits verstorbene Künstlerin Lin May Saeed für die Recht der Tiere ein, indem sie die Befreiung der Tiere aus ihren Käfigen fordert. In Form von Hamstern, die wir Weltraumfahrer daherkommen, verleiht sie ihrem Ansinnen die bildhafte Form. Andere Kunstschaffende machen mit ihren Werken auf die schwindende Biodiversität im brasilianischen Amazonasgebiet aufmerksam.
Utopien alternativer Zukünfte
Zum Schluss wird es futuristisch: Visionen digitaler Körper, die auch mal an „Men in Black“ erinnern oder uns ins Bällebad entführen, sollen die „transformative Verschränkung“ zwischen Mensch und Technologien darstellen. Ich muss gestehe, dass wir an dieser Stelle und aufgrund der fortgeschrittenen Zeit und einem penetranten Hungergefühl, die Schau dann doch recht schnell in Richtung Ausgang verlassen haben. Ich kann mir aber gut vorstellen, mir die Ausstellung nochmals in aller Ruhe, kombiniert mit einer Führung anzuschauen. Ich glaube, in einige Objekte muss man einfach nochmals in Ruhe eintauchen. Die Schau läuft ja noch bis zum 11. 1. 2026.
