Der Staat als Robin Hood: Den Reichen nehmen, den Armen geben?

Christina/ August 18, 2018/ Kategorien

Angesichts der fortschreitenden Diskussion über Industrie 4.0 und dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) mag der Diskurs um die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) nie aktueller gewesen sein. Eva Douma hat sich in ihrem Buch „Sicheres Grundeinkommen für alle“ des Themas angenommen und möchte in ihrem Essay klären, ob es sich hierbei um einen Wunschtraum oder eine realistische Perspektive handle.

Die wichtigsten Pro- und Contra-Argumente sind dabei schnell skizziert: Das ist zum ersten der drohende Wegfall von Jobs durch die Digitalisierung der Arbeitswelt. Zum zweiten ist es die Möglichkeit des Einzelnen, sich auf ökonomischen Zwängen zu befreien und diese Energie in kreative Projekte zu stecken. Und zum dritten ist es das Menetekel der Alters- und Erwerbsarmut, die zur Gefährdung des sozialen Friedens beiträgt.

Auf der Seite der Gegenargumente steht in erster Linie die Befürchtung, dass es für die „faulen“ Leute keinen Anreiz mehr gebe, einer Arbeit nachzugehen. Anderseits, so die Befürchtung der Autorin, könnten bestimmte Zielgruppen, wie Behinderte oder Langzeitarbeitslose, in Summe weniger Geld zur Verfügung haben, da bestimmte Sonderleistung mit dem BGE bereits abgegolten wären.

Einkommensungleichheit steigt

Ein Blick auf die Entwicklung von Beschäftigungszahlen und Lohnsteigerungen in den letzten 30 Jahren macht deutlich, dass seit den 1990er Jahren nicht nur die Zahl der gut bezahlten Vollzeitstellen abnahm, sondern ab den 1999er Jahren zusätzlich die Einkommensungleichheit anstieg. So stiegen beispielsweise in der Zeit von 1987-2007 die Gehälter von Vorständen im Vergleich zu deren Mitarbeitern von 14 auf das 49-fache an. Von 2000 – 2007 wurden die Arbeitslöhne um 11% angehoben, Unternehmens- und Vermögenseinkommen stiegen in der gleichen Zeit um 43 % an.

Aus dieser Entwicklung kristallisieren sich drei Gefahren heraus, die eine Bedrohung sowohl für das Gesellschaftssystem als auch für den sozialen Frieden darstellen:

  1. Langfristig und ausreichend bezahlte Lohnarbeit ist im 21. Jahrhundert auf dem Rückweg
  2. Fehlt der Glaube in der Bevölkerung, dass Leistung sich lohnt, kann die Stimmung kippen und der Glaube an demokratische Institutionen schwinden
  3. Werden die Verhältnisse als unübersichtlich oder gar bedrohlich wahrgenommen, dann droht gesellschaftliche Spaltung.

Und wer soll das bezahlen?

Ungeklärt sind bislang sowohl die notwendige Höhe eines BGE als auch dessen Finanzierungsmodell. Dabei ist die Diskussion unter den Beteiligten aus der Politik und der Privatwirtschaft vor allen Dingen eines: unübersichtlich. Die Debatte ließe sich trotzdem auf zwei wesentliche Eckpunkte reduzieren: a) Zusammenlegung aller Sozialleistungen zu einem Paket und b) Steuererhöhungen (wahlweise von Vermögens-, Erbschafts-, Börsen- oder Mehrwertsteuer).

Aus diesen beiden Varianten zieht Douma folgende Schlüsse:

  1. Es bedarf sowohl neuer Einkommensquellen als auch einer Umverteilung des Vermögens.
  2. Neue, einheitliche Steuersätze aus Mieteinnahmen, Vermögen, Spekulationen und Lohn müssten erhoben werden
    Einen wirklich explosiven Charakter hat dabei die Annahme, dass die Einführung eines BGE zur Folge haben könnte, dass niemand mehr die prekären und schlecht bezahlten Arbeitsverhältnisse übernehmen möchte, wie Müllabfuhr, Altenpflege oder Minijobs. Zumindest, so die Überlegung, müssten Arbeitgeber dafür ihre bisherige Komfortzone verlassen und künftig eine adäquate Bezahlung anbieten. Denn der Druck, als Arbeitsloser jeden Job anzunehmen, würde mit einem Schlag wegfallen.

Ist die Gesellschaft bereit?

Insgesamt liefert Douma mit ihrem Buch eine interessante Bestandsaufnahme zur Diskussion über ein bedingungsloses Einkommen. Wer sich für dieses Thema und die Hintergründe interessiert findet mit dem Essay einen guten Einstieg. Teilweise wiederholt sich die Argumentation im Laufe des Buches und zum Schluss bleiben tatsächlich mehr offene als beantwortete Fragen. Allerdings ist die öffentliche Debatte dazu auch noch nicht besonders ausgereift. Es entsteht der Eindruck, dass zunächst erstmal geklärt werde müsste, ob sich die Gesellschaft auf einen Systemwechsel einlassen könnte. So formuliert es die Autorin abschließend und man darf gespannt sein, wie sich das Kollektiv entscheiden wird.

Douma, Eva (2018): Sicheres Grundeinkommen für alle. Wunschtraum oder realistische Perspektive? Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.). Schriftenreihe Band 10227. Berlin: Cividale Verlag. Bestellung unter.

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