Zucchini statt Blumen

Christina/ Juli 30, 2018/ Alltagsgeschichten

Toll, was ich alles so auf Wandertouren lerne. Auch, wenn ich mein Stempelbuch diesmal getrost in meinem Rucksack lassen konnte, so gab es doch wieder einiges zu entdecken und vor allen Dingen zu lernen. Diesmal ging es um strickende Kamele, dogmatische Wegbegleiter und ein wundervolles Serien-Skript: die deutsch-arabische Freundschaft, die am Hexenwerk ihren Ausklang findet. Und das kam so:
Unsere Sonntagstour begann an der Haltstelle „Forstsiedlung“ des 820er Busses von Bad Harzburg nach Braunlage. Die kleine aber feine Forstsiedlung mit ihrem Woodstock-Charme bekam zunächst unsere volle Aufmerksamkeit. Schließlich musste der hippe vor der Garage stehende himmelblaue „Mercedes Bulli“ ausreichend gewürdigt werden.

Harzer Kamele

Weiter ging es entlang des Harzer Salzstieges Richtung Torfhaus. Auf dem Salzstieg, so hatte ich mich vorher erkundigt, verkehrten einstmals die so genannten „Kieperfrauen“. Diese Frauen trugen den Vorläufer des Rucksacks, damals noch ein Korb (= Kiepe), auf dem Rücken. 30-40 Kilo mussten die auch als „Harzer Kamele“ titulierten Frauen mühsam bergauf und bergab schleppen. Meine Informationsquelle behauptet zudem, dass die Frauen „…, immer zeitsparend, strickend unterwegs“ gewesen wären. Ich stutze kurz. Ähm, sind das nicht die Damen mit dem Telefonsex, die bei der Arbeit stricken? Vielleicht liegt hier eine Verwechslung vor?

Hol‘ mal den Kaffee – jetzt!

Wir erreichen die Abbiegung zum Torfhaus. Ich sehe ihn in den Augen meiner Mitwanderer: den Kaffeedurst. Sie wollen es also auch. Wir legen einen (Boxen-)Stopp ein. Nun kommt es zu einer folgenschweren Unterhaltung, bei der ich angeblich etwas lernen soll: Männersprache. Es geht also darum, wer den Kaffee holt. In meiner naiven Vorstellung von männlicher Ritterlichkeit (die vermutlich in genau dieser Zeit ausgestorben ist) hebe ich dazu an zu fragen, ob der mir gegenübersitzende (und damit dem Kaffeeausschank näher) Wanderkamerad netterweise den schwarzen Traum besorgen könnte. Ich ernte ein spöttisches Lächeln. Da hätte ich ja noch einiges über Männer zu lernen, werde ich belehrt. Männer verstünden nur direkte Ansagen. Zusätze wie „würdest du, könntest du“ würden ihre Wirkung vollends verfehlen und ins Leere laufen. Aha, so denke ich mir und erinnere mich an folgendes Zitat aus meinem Lieblingsfilm, der Counselor: „Männer unterliegen aber der Illusion, sie könnten die Frauen ändern. Frauen wollen aber nichts ändern, sie wollen unterhalten werden. Die Wahrheit über Frauen ist, man darf alles mit ihnen machen, außer sie langweilen.” Dem ist nichts hinzuzufügen!

Die Sage von der deutsch-arabischen Freundschaft oder: Integration kann so einfach sein

Nachdem wir die Stempelstelle „Ski-Denkmal“ hinter uns gelassen haben, erreichen wir den wunderschönen Pionierweg im Eckertal. Hier bin ich schon des Öfteren gewesen, trotzdem bin ich immer wieder fasziniert von der Schönheit des Weges und der Ausblicke. Tatsächlich gelingt es mir auch noch meine Mitstreiter zu überraschen, indem ich den ultimativen Picknickplatz empfehle. Am Weg führt nämlich ein kleiner, unauffälliger Weg direkt zur Ecker und zu einem wunderschönen Plätzchen.

Es passiert, als wir den Eckerstausee erreichen. Vielleicht sind es die Nachwehen des romantischen Picknick-Platzes, vielleicht ist es der Anblick des idyllischen Stausees: Die Idee zur Fernsehserie, die die deutsch-arabische Freundschaft begründen soll, ist geboren.

Die Protagonisten sind Hans und Franz, zwei urdeutsche blonde Männer mit Beinen wie Baumstämme und Arme wie Keulen. Weiterhin sind da Mohammed, ein Flüchtling aus dem bürgerkriegsgeschüttelten Syrien und Jolanta, das holde Mädchen mit dem blonden Haar – das Objekt der Begierde der beiden deutschen Bären. To cut a long story short: Zwischen Hans und Franz kommt es an eben jenem Picknickplatz zum Showdown um Jolanta. Mohammed, der die Szene aus der Ferne beobachtet und Franz mit letzter Kraft am Brückenpfeiler hängen sieht, stürzt sich auf Hans und rettet Franz. Mit diesem beherzten Einsatz hat Mohammed subito pronto das Herz von Jolanta erobert, die deutsch-arabische Freundschaft ist geboren.

Face off – im Körper des Feindes

Nach so viel Denkleistung benötige ich eine weitere Pause. Über den Braunschweiger Weg geht es zunächst zum Hasselbach. Schnell noch ein paar Fotos geschossen. Wir lassen das Molkenhaus links liegen und haben uns dazu entschlossen, dem neu geschaffenen Hexenwerk oberhalb von Bad Harzburg eine Chance zu geben. Bei dem schönen Wetter ist die Terrasse erwartungsgemäß gut besucht; ein schattiges Plätzchen suchen wir vergebens. Wir lassen uns trotzdem nieder. Auf die Getränke müssen wir dann leider verhältnismäßig lange warten, dafür entschädigt uns aber der Toilettengang.

Beim vermeintlichen Spiegelblick nach dem Toilettenbesuch offenbart sich die Bedeutung des Names Hexenwerk: statt in mein eigenes Konterfei zu blicken sehe ich auf der gegenüberliegenden Seite das meines Mitstreiters. Einen Moment lang bin ich verwirrt, nehme wahr, dass irgendetwas nicht stimmt und realisiere dann erst, dass es im Gegensatz zu meiner Erwartung keinen Spiegel gibt, der die „Herren-Waschräume“ von den „Damen-Waschräumen“ trennt – spooky. Ich fühle mich an den Actionfilm „Face off – im Körper des Feindes“ und explizit an die Szene des Gesichtstausches erinnert.

Zucchini statt Blumen

Nach diesem Erlebnis verlassen wir die Kultstätte und gehen zurück zum Parkplatz. Dort erhält jeder zum Abschied eine kleine Aufmerksamkeit in Form eines Gartengewächses (statt Geburtstagstüte). Fröhlich und zufrieden fahren wir gen Heimat zurück. What a day!

Die Bilder zur Tour

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