Corona-Tagebuch: Der Mühlenwanderweg bei Naumburg

Christina/ Dezember 1, 2020/ Alltagsgeschichten

Sag mir wo die Mühlen sind. Das haben wir uns auf diesem Mühlenwanderweg zwischen Naumburg, Boblas, Wetterscheid und dem Kroppental immer wieder gefragt. Die Broschüre aus dem Tourismusbüro hatte uns „neun eindrucksvolle Wind- und Wassermühlen“ entlang des Weges versprochen. Nix ist! Die wirkliche Überraschung ist dagegen die Flut von Weinbergschneckenhäuschen, die wir unterwegs finden und sammeln. Für Mühlenfans ist der Weg weniger geeignet, wer gutes Bastelmaterial sucht, der wird hier fündig.

Start ist bei MacDonald’s
Vor zwei Wochen hatte ich mich nach dem Start des Mühlenwanderweges in der Naumburger Touristeninfo erkundigt. Im Internet war dazu leider nichts Brauchbares zu finden. Als mir der freundliche Herr erklärt, dass der Weg im Gewerbegebiet von Naumburg beginnt, genauer gesagt bei McDonald’s, war ich schon überrascht. Aber gut dachte ich, warum nicht. Das Gewerbegebiet von Naumburg heißt Steinkreuzweg und ist gut ausgeschildert. Wir entdecken auch gleich den amerikanischen Burgerbräter und versorgen uns erst einmal mit zwei Kaffees.

Ausgerüstet mit dem Heißgetränk geht es für uns zunächst bergauf in einen kleinen Stadtwald. Die Ausschilderung ist gut und eng bestückt, so dass wir uns insgesamt nicht einmal verlaufen. Als wir aus dem Wald herauskommen geht es zunächst über Feldwege nach Boblas. Wir halten Ausschau nach einer Mühle, entdecken aber nichts als ein baufälliges Fachwerkhaus.

Auf einer Umgebungskarte schauen wir, wo die ersten Mühlen sein sollen: Aha, zwischen Boblas und Wetterscheid liegen vier Mühlen. Wir freuen uns also auf die Neumühle, die Lochmühle, die Walkmühle und die Untermühle.

Das Schneckenparadies
Auf sehr schönen schmalen Pfaden laufen wir weiter. Plötzlich sehen wir auf dem Weg zwei Weinbergschneckenhäuschen. Noch halten wir diese für einen Zufallsfund und stecken die Häuschen zu Bastelzwecken ein. Auf den nächsten Meter geht es dann richtig los: Wir entdecken ein Häuschen nach dem anderen. Insgesamt sammeln wir bestimmt an die 40 Stück ein. Wir kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus und fragen uns vor allen Dingen, wo die Schneckenhäuschen herkommen, da keine Weinberge in der Nähe sind. Wir nehmen uns vor, aus den Gehäusen in unserem Kreativraum etwas Schönes zu machen.

Mit unserer Beute erreichen wir das nächste Dorf. Endlich das ersehnte Schild. Hier geht es zu einem Wasserrad, dann muss es auch eine Mühle geben. Und so ist es auch. Zwar ist es keine Mühle, so wie wir sie uns vorstellen, aber immerhin. Wir sind bei der Neumühle fündig geworden. Als wir weitergehen treffen wir auf einen Mann, der sich gerade der Gartenarbeit widmet. Der Mann spricht uns an, wir kommen kurz ins Gespräch und tauschen ein paar Eindrücke aus. Es ist eine nette Begegnung. Überhaupt, so ist unser Eindruck, sind die Menschen in dieser Region sehr freundlich und aufgeschlossen.

Als nächstes erreichen wir Mertendorf. Auch sehen wir uns ohne Erfolg nach einer Mühle um. Nur das Eiscafé ist ausgeschildert, aber das ist aufgrund der Jahreszeit und Corona sowieso geschlossen. Der Weg verläuft jetzt leider auf Asphaltboden, was für unsere Gelenke nicht so angenehm ist. Zudem sind wir schon etwas angesäuert, weil wir viel mehr Mühlen erwartet haben.

Gefechte bei Wethau
Wir erreichen Wethau. Hier sehen wir zwar auch keine Mühle, dafür aber eine Infotafel, die uns mit der Geschichte der Gefechte bei Wethau am 9. und 10. Oktober 1813 vertraut macht. Ich lerne, nicht nur Goethe ist weit herumgekommen, auch der französische Feldherr Napoleon. Und bei dieser Schlacht ging es um nichts Geringeres als die Zukunft Europas! Die Herrstraße von Naumburg über Weißenfels nach Leipzig führte über die Wethauer Brücke auf der wir jetzt stehen. Die Brücke wurde am 9.10.1813 von Franzosen besetzt. Dort kam es zum Straßen- und Häuserkampf zwischen den Franzosen und Fürst Moritz von Liechtenstein.

Der Steinerne Engel
Wir lernen also, diese Region ist zwar nicht mühlen-, dafür aber geschichtslastig. Wir ziehen weiter durch Wethau und steuern auf den Steinernen Engel zu. Mal schauen, ob es da etwas zu sehen gibt. Eine Viertelstunde später erreichen wir das Gestein und diesmal sind wir nicht enttäuscht. Im 17. und 18. Jahrhundert haben an dieser Stelle wohlhabende Naumburger Bürger Wein angebaut. Zu der Zeit soll hier auch das Relief des Steinernen Engels entstanden sein. Es ist zwei Meter hoch und vier Meter breit. Das Gebilde soll wohl als Ausdruck einer ästhetischen Aufwertung der Weinberge durch das städtische Bürgertum verstanden werden.

Die Mühle im Kroppental
Auf dem weiteren Weg kommt uns ein Spaziergänger entgegen. Diesem klagen wir erstmal unser bisheriges Leid und fragen, ob wir denn im weiteren Verlauf noch mit Mühlen rechnen können. Er lässt uns wissen, dass man die meisten Mühlen nicht erkennen kann, weil es Gebäude sind, die oftmals wie Wohnhäuser wirken und die Wasserräder innen oder in einem gesonderten Häuschen liegen, so dass man diese nicht sieht und somit die Mühle nicht erkennt. Tja, da wäre eine Beschriftung natürlich hilfreich gewesen.

Er erklärt uns noch den Weg zu zwei weiteren Mühlen, gibt aber zu bedenken, dass wir vermutlich eine davon nicht als Mühle erkennen werden, die andere sei beschriftet. Und genauso kommt es dann auch. Die Kroppentalmühle sieht zwar auch nicht wie eine typische Mühle aus, glänzt aber durch ein Hinweisschild.

Und dann kommt die große Überraschung. Wir entdecken in der Ferne eine Bockwindmühle. Voller Vorfreude setzen wir unseren Weg fort, allerdings nur um zu bemerken, dass wir zu diesem Exemplar gar nicht hinkommen, da die Mühle nämlich auf der anderen Saaleseite liegt und die Fähre nicht mehr in Betrieb ist.

So lecker ist das Saalewasser
Zum Glück kommen wir linker Hand aber an einem Glühweinstand vorbei. „Glühwein-to-go“ direkt vom Winzer wird offeriert. Was für eine angenehme Überraschung. Der „Alte Felsenkeller“, so heißt der Gasthof, bietet auch Eigenkreationen an. So entscheide ich mich für ein Saalewasser, das aus schwarzem Tee, Winzerwein, Rum und Obstler besteht. Das kräftigende Gebräu kommt mir bei den kalten Temperaturen gerade recht. So langsam kehren die Lebensgeister zurück und wir versöhnen uns mit der Mühlenwanderung ohne Mühlen.

Zurück in Naumburg am MacDonald’s schließen wir unsere Tour ab.

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