Der Libellenpuff vom Silberteich

Christina/ Juni 19, 2022/ Alltagsgeschichten

In einem Sprichwort heißt es: Jedem Tierchen sein Pläsierchen. Mit anderen Worten, jeder soll leben und handeln können, wie er es für richtig hält. Aber wie verhält es sich, wenn das Verhalten der anderen die öffentliche Ordnung stört? So haben wir es am Sonntag am Silberteich zwischen Braunlage und Sankt Andreasberg erlebt. Freizügige Wasserjungfern paaren sich in aller Öffentlichkeit ungeniert am Ufer des Tümpels. Jedes altrömische Bordell würde gegen diese Freizügigkeit verblassen. Einen Schock der anderen Art versetzt uns die Waldgaststätte Rinderstall. Wer sich hier am Wochenende nach einer Wanderung auf ein kühles Blondes oder Ähnliches freut, erlebt sein blaues Wunder. Essen und Trinken kommen lediglich aus dem Automaten. Da loben wir uns die Einkehr im illustren Königskrug, da hat sich in den letzten Jahrzehnten nichts geändert.

Brocken Challenge 2022
Das Wetter an diesem Sonntag könnte nicht besser sein. Nach langer Zeit geht es mal wieder in den Harz, der Königskrug bei Braunlage ist unser Ziel. Von hier aus starten wir unsere knapp 19 Kilometer lange Runde. Die Tour führt zunächst entlang der warmen Bode und passiert die oberen und unteren Bodefälle. Die Strecke streift sodann Braunlage bevor es wieder in den Wald geht. Hier laufen wir ein Stück auf der alten Harzburger Straße. Vorbei am Panorama Café am Himbeerwald steuern wir sowohl den Naturmythenpfad als auch den Silberteich an. Von dort führt unser Weg zum Waldgasthaus Rinderstall. Über die Hahnenkleeklippen geht es zurück zum Königskrug.

Verlaufen die ersten Meter ruhig, so kommen uns kurz nach der Bärenbrücke plötzlich immer mehr Menschen aus Richtung Braunlage entgegen. Auffällig ist, dass alle ein Bändel um den Hals tragen. Aus Neugier halten wir eine Person an und fragen nach. Mit leicht gequälter Stimme erfahren wir, dass es sich um eine Wanderchallenge handelt. Die Wanderer sind gestern in Göttingen gestartet und nach 50 Kilometern in Bad Lauterberg angekommen. Die heutige Etappe führt die Sportler auf den Brocken, was weitere 37 Kilometer bedeutet.

Den Gesichtsausdrücken zufolge sieht diese Anstrengung nicht gerade nach Spaß aus. Uns fällt auf, dass so gut wie niemand aus dieser Gruppe Augen für die schöne Umgebung hat. Die idyllischen Bodefälle bleiben unbeachtet, der Blick ist fest auf das Ziel geheftet.

Der Libellenpuff vom Silberteich
Wir verlassen die warme Bode und kommen in das sogenannte Villenviertel von Braunlage. Wirkliche Prachtbauten sehen wir hier allerdings nicht. Wir kommen wieder in den Wald und entdecken das Panorama-Café am Himbeerwald. Wir liebäugeln mit einer Einkehr, allerdings öffnet das Lokal erst um 14 Uhr. Wir laufen weiter in Richtung Silberteich und erreichen zunächst den Naturmythenpfad. Hier hat man einen Holzthron errichtet. Klar, darauf müssen wir uns ablichten. Es geht weiter zum Silberteich. Pfad und Tümpel sind mir noch aus meiner Stempelzeit bekannt. Damals hat mir allerdings die Zeit gefehlt, mir den Teich näher anzuschauen.

Wir haben es hier mit einem wirklich idyllischen Plätzchen zu tun. Unter einem strahlend blauen Himmel liegt der stille See. Wolken spiegeln sich darin und hunderte von Kaulquappen und kleinen Fischen tummeln sich in ihm. Einige von ihnen springen wie Delphine fröhlich im Wasser herum. Wir gehen über die Brücke und entdecken eine Bank. Verträumt schauen wir auf den See und können unser Glück kaum fassen, bis … Ja, bis ich eine Libelle in der Farbe grün entdecke. Oh, sofort erwacht mein Jägerherz, die muss ich unbedingt ablichten. Nun, die grüne Libelle ist leider kamerascheu. Aber dann entdecke ich in Ufernähe etwas ganz anderes. Ein rotes Libellenpärchen beim Liebesspiel. Als ich näher herangehe, um ein Foto zu machen, traue ich meinen Augen nicht. Hier wuseln mindestens zehn Pärchen, die alle demselben Hobby frönen. Unfassbar mit welcher Hingabe und Geschicklichkeit das Treiben vonstattengeht. Es macht geradezu den Eindruck als würden sich die Tierchen über die Aufmerksamkeit freuen und eine extra Showeinlage darbieten. Das muss er also sein, der Libellenpuff vom Silbersee. Die Schweizer würden sagen: die haben einen Kiosk an der Eigernordwand.

Außer Spesen nichts gewesen
Nach diesem unverhofften Spektakel setzen wir unsere Wanderung in Richtung Rinderstall fort. Wir malen uns bereits aus, was wir gleich essen und trinken wollen und hoffen auf freie Plätze auf der Terrasse. Angekommen an der Waldgaststätte sind wir darüber irritiert, dass fast alle Tische frei sind. Nanu? Schnell kommen wir dahinter, dass samstags und sonntags nur Selbstbedienung am Automaten herrscht. Was? Wir sind total verblüfft und enttäuscht. Automatencafé für 2,60 Euro im Pappbecher? Das hatten wir uns anders vorgestellt. Zwei andere Paare sind auf den gleichen Trick hereingefallen und packen nun ihr Mitgebrachtes aus.

Auf dem Rückweg machen wir einen kurzen Abstecher zur Hahnenkleeklippe. Den Ausblick allerdings habe ich noch besser in Erinnerung. Außer abgestorbenen Bäumen ist nun leider nicht mehr viel zu sehen.

Das Alte hat sich oft bewährt
Gegen 17 Uhr sind wir zurück am Königskrug. Einen der Riesenwindbeutel wollen wir uns heute nicht mehr gönnen, aber ein Absacker nach der Tour muss es schon sein. Der gut gelaunte Kellner bringt uns die Getränkekarten. Ich suche das stille Örtchen auf und entdecke dabei, dass sich in der Gaststätte seit meiner Jugendzeit nichts verändert hat. Alles ist noch im Stile des Harzer Barocks ausgestattet.

Der Kellner fragt, was denn Madame und der Herr wünschen. Als er die Getränke bringt, frage ich auch gleich nach der Rechnung. Ich runde den Betrag auf 8 Euro auf und strecke dem Kellner einen 10 Euro-Schein hin. Irritiert bin ich als der Kellner dann die zwei Euro Rückgeld an Burkhard gibt. Hm? Glaubt er wirklich, Burkhard hätte mir den Zehner in die Hand gedrückt, damit ich auch mal bezahlen darf? Nun an dieser Stelle scheint nicht nur die Einrichtung altmodisch zu sein

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