Huy oder Hott in Anderbeck

Christina/ März 12, 2024/ Alltagsgeschichten

Der Huy (gesprochen„Hüh“, von althochdeutsch für Höhe) in Sachsen-Anhalt ist ein Höhenzug im Vorland des Nordharzes. Er ist bis zu 314 m hoch und als Wandergebiet noch weitestgehend unbekannt. Auf gut ausgeschilderten geologischen Wanderpfaden gibt es jedoch einige Sehenswürdigkeiten zu entdecken. So behauptet z.B. der Huy-Fallstein das „größte und schönste Buchenwaldgebiet Europas“ zu sein. Das klingt spannend und will erkundet werden.

„Heute geschlossen wegen gestern“
Die unerwarteten Highlights sind bekanntlich die schönsten. Wir weichen zu Beginn ein wenig von der vorgegebenen Route ab. Wir sehen es nicht ein, direkt an der Kreisstraße zu gehen. Ist auch gar nicht nötig, denn es gibt parallel dazu einen schönen landwirtschaftlichen Weg. Zu unserer Überraschung führt uns dieser zu einer Bockwindmühle. Neben dem Gebäude befindet sich dort auch eine Backstube, die „heute leider geschlossen ist wegen gestern.“ Ein super Spruch, den ich sofort in mein Repertoire übernehme. Ich denke dabei nicht nur an den Montagmorgen im Büro😊.

Ehemaliger Salzbergbau Wilhelmshall
Wir folgen der Straße und gelangen nach einer Weile zum alten Gelände des Salzbergbaus Wilhelmshall. Die ganze Anlage ist mittlerweile ein „Lost Place“ at its best. Alte Industriekultur mit zerschlagenen Fenstern, löcherigen Fassaden und geplündertem Innenleben. Ein Stückchen weiter treffen wir auf das ehemalige Sanitätsgebäude, das bewohnt zu sein scheint. Wir wundern uns über den Zustand des Geländes. Neben äußerst renovierungsbedürftigen Gebäuden stehen Wohnhäuser, die offensichtlich genutzt werden. Immer wieder hören wir heftiges Hundegebell. Teilweise hinter verschlossenen Toren. Teilweise sind die Bestien zu sehen und würden nur allzu gerne über den Zaun springen.

Am Ende der Siedlung befindet sich ein Parkplatz mit Informationstafeln. Es gibt sowohl Interessabtes zum ehemaligen Abbaugebiet zu lesen als auch zu den Wander- und Radwegen im Huy. Wir biegen rechts auf einen Waldweg ab. Linker Hand kommen wir am Stromatolithen vorbei. Wir wandern bis zu einer Schutzhütte weiter und biegen an dieser Stelle rechts ab und folgen über längere Zeit einem recht breiten (und langweiligen) Weg durch den Wald. Hier gibt es nicht viel zu sehen, außer ein paar bemalten Schnecken und Grinsegesichtern. Burkhard erzählt mir, dass es sich dabei wohl um eine Aktion auf Facebook handelt. Die Schnecken können gesammelt und dafür neue hingelegt werden.

An den Gletschertöpfen
Nach einer ganzen Weile erreichen wir den Siebertsplatz. Hier weichen wir erneut von der Route ab und geradeaus auf den Hardelsberg weiter, der uns zu den Gletschertöpfen führen soll. Aus einem zunächst sehr schmalen und schönen Waldpfad wird zunehmend ein ausgefahrener Baumaschinenweg. Zum Glück hat es in den letzten Tagen nicht geregnet, sonst würden wir vermutlich im Schlamm versinken. Schließlich erreichen wir aber den ehemaligen Steinbruch und damit die Gletschertöpfe. Glechtschertöpfe sind Strudellöcher, die während der Eiszeit von Schmelzwässern an der Basis des Gletschereises in den Untergrund hineingearbeitet wurden. Bereits 1930, so zeigen die Informationstafeln vor Ort, sind an dieser Stelle Kinder auf den geologischen Formationen herumgeklettert. Die alten Vorrichtungen stehen zum großen Teil noch. Leider gibt es aber auch immer wieder Besucher, die dieses Naturschauspiel mit einer Müllhalde verwechseln.

Von den Gletschertöpfen geht es zunächst aus dem Wald heraus. Wir überqueren die Kreisstraße und folgen dem Geologischen Pfad West. Dieser bringt uns zurück in den Wald bis wir die Kuckucksmühle erreichen. Hier müssen wir ein Stück an der Straße entlang gehen, bevor wir wieder auf einen Wanderweg treffen. Dieser führt uns zurück nach Anderbeck. Auf der Wander- und Radkarte für den Huy haben wir einen Hinweis für die Galeriehöfe Anderbeck entdeckt. Bei einer Fahrt auf der Hauptstraße können wir leider nichts dergleichen vorfinden. Wir sind aber neugierig geworden und fahren deshalb nochmals zurück zur Abzweigung an den Gletschertöpfen. Auf der Wanderkarte suchen wir nach dem Standort der Galeriehöfe. Die Angaben sind aber sehr ungenau und helfen uns nicht weiter.

Kolly-Teiche
Wir sind etwas unschlüssig. Bevor wir nochmals nach Anderbeck zurückfahren, nehmen wir uns erstmal die Kolly-Teiche vor. Spontan erinnert mich der Name an die gleichnamige Hunderasse, die sich aber am Anfang mit „C“ und am Ende mit „ie“ schreibt und vermutlich nichts mit den Feuchtgebieten zu tun hat. Wir laden also nochmals 1,8 km auf unser Wanderkonto und statten dem Feuchtbiotop ein Besuch ab. Viel zu sehen gibt es hier nicht, aber vielleiht ist das auch die falsche Jahreszeit.

Die verschlossenen Galeriehöfe
Von Neugier und Siegeswillen gepackt fahren wir noch einmal nach Anderbeck. Mittlerweile haben wir über das Internet die Straßennamen und Hausnummern der vermeintlichen Sehenswürdigkeiten erkundet. Zurück im Ort finden wir diese auch, stehen aber vor verschlossenen Türen. Das finden wir jetzt schon ein wenig befremdlich, dass diese Galeriehöfe auf einer Wanderkarte beworben werden und dann gar nicht öffentlich zugänglich sind. Tja, mal heißt Huy und mal heißt es hott in Anderbeck.

Hessen liegt in Sachsen-Anhalt
Für Kunst und Kultur ist uns bekanntlich kein Weg zu weit. Deshalb sind wir auf dem Rückweg einfach durch Hessen gefahren. Nee, nicht das Bundesland, sondern der Ortsteil der Stadt Osterwieck. Es dämmert bereits als wir auf dem Parkplatz zum Schloss ankommen. Und da ist es wieder. Wütendes Hundegebell hinter verschlossener Gartentür. Die Anlage selbst ist recht übersichtlich. Das ehemalige Welfenschloss wird liebevoll vom gleichnamigen Förderverein betreut. Es stehen nur noch Teil der ursprünglichen Anlage. Erstaunt sind wir über den Hinweis, dass es einen „Lustgarten“ gebe. Nun auf dem Gelände befindet sich eine Art Parkanlage. Von dem ehemaligen „Fürstlich Braunschweigischer Garten zu Hessen“ ist aber weit und breit nichts zu entdecken.

Das schwindende Tageslicht macht das Fotografieren zunehmend schwierig. Zudem bläst ein kalter Ostwind. Wir retten uns ins Auto zurück. Auf der Fahrt nach Braunschweig wird uns dann so richtig bewusst, was wir heute wieder alles entdeckt haben. Kunst, Kultur, Naturschätze und eine gute Portion Bewegung. Es war alles dabei, was einen schönen Wandertag ausmacht.

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