Schnitzeljagd nach Mekka

Christina/ Februar 11, 2019/ Kultur

Beim Betreten des Bühnenraums fällt der Blick sogleich auf zwei Requisiten: Einen Fußabtreter mit der Aufschrift „Bitte Schuhe ausziehen“ und ein batterie-betriebenes Kamel, das angebunden an eine künstliche Palme seine Runden dreht. Während der erste Gegenstand auch gut und gerne den Eingang einer schwäbischen Wohnung markieren könnte, wird in der Kombination deutlich, dass es im Folgenden wohl eher um einen theatralischen Ausflug in eine Weltreligion geht. Wie der Titel des Stückes „Zwischen den Säulen“ bereits suggeriert, stehen die fünf Säulen des Islam im Mittelpunkt der Betrachtungen. Die beiden Protagonisten Markus&Markus selbst erklären den Plot als „eine Schnitzeljagd mit unbekanntem Ziel“. Diese führt die beiden schließlich nach Mekka und damit an eine der heiligen Stätten des Islams.

Spielregeln unbekannt

Die beiden Darsteller skizzieren zunächst anhand eines Filmes, mal animiert, mal mit Echtbildern, ihre Reise von Osnabrück nach Mekka. Dabei bedienen sie sich zahlreicher Klischees, wie fliegender Teppichen, Kamelkarawanen oder Daus als Transportmittel. So schaffen die Akteure schnell eine schwülstig-orientalische Atmosphäre. Der Zuschauer denkt alsbald abwechselnd an 1001-Nacht, Sindbad den Seefahrer, Aladin mit der Wunderlampe und Großwesire.

Eine Odyssee á la Odysseus aus Ithaka

Neben dem Videomaterial agieren Markus&Markus – recht willkürlich und keinem scheinbaren Drehbuch folgend – auf der Bühne. Aus Büchern, deren Einband ihr Konterfeit trägt, lesen sie immer wieder eine Art Handlungsanleitung vor. Fasziniert folge ich den beiden Schauspielern und frage mich immer wieder, ob die beiden nun wirklich zum Islam konvertiert sind. Das Stück ist in drei Episoden aufgeteilt und stellt die fünf Säulen des Islam – das Glaubensbekenntnis, das Gebet, das Fasten, die Almosen und die Pilgerfahrt – in beliebiger Reihenfolge dar. Gespickt sind die Darstellungen immer wieder mit Legenden (z.B. vom heiligen Brunnen Zamzam), Mythen („Nur das Kamel kennt die 100 Namen Allahs“) und Wahrheiten („Nehmen Sie Ihre Konvertierungs-Urkunde mit falls Sie mal nach Mekka wollen“) aus der Welt der abrahamischen Religion.
Dass die beiden Schauspieler dabei sich und ihr Stück nicht ganz so ernst nehmen, und damit einem eigentlich schwierigen Thema Leichtigkeit verleihen, wird an einzelnen Sequenzen immer wieder deutlich. So gibt es z.B. einen Arabischkurs für Anfänger. Während der eine Markus in lehrerhafter Manier dem Zuschauer aufzeigt, wie viele arabische Wörter in unsere Sprache Einzug erhalten haben (man denke z.B. an das Wort Risiko), plappert neben ihm eine Stoffschlange mit extra langer roter Zunge jeden seiner Sätze nach.

Tropenhelm statt Kopftuch

Eingangs nutzen die beiden zunächst eine Puderperücke, um die Epoche der Aufklärung zu symbolisieren. Dabei rekurrieren Markus&Markus, wie könnte es anders sein, auf Goethes vielzitierten „west-östlicher Diwan“ und Lessings „Nathan der Weise“. Später wird die Perücke durch einen Tropenhelm ersetzt, Sinnbild des Forscherdranges westlicher Wissenschaftler bei der Erkundung „exotischer Welten“.

Fast atemlos verfolgt der Zuschauer die wechselnden Handlungsstränge auf der Bühne und auf der Leinwand. Markus&Markus beim Fasten, beim Fastenbrechen, bei ihrer Konvertierung in der islamischen Gemeinde Penzberg in Bayern (warum eigentlich gerade dort?) und schließlich auf ihrer Pilgerfahrt in Mekka beim Gang um die Kaaba. Der ursprüngliche Weg Hagars, einer Nebenfrau Abrahams, mit ihrem Sohn Ismael zwischen den Bergen Safa und Marwa, führt zwischenzeitlich über einen klimatisierten 400 Meter langen Gang. Grüne Neonleuchten markieren den Pilgerweg.

Die ganze Altstadt ist in eine einzige Wasserpfeifen-Wolke gehüllt

Eine Frage bleibt schließlich offen: Sind die beiden für dieses Theaterstück wirklich zum Islam konvertiert? Vermutlich ist die Frage für das Stück irrelevant. Markus&Markus stellen mit ihrem Schauspiel die Frage: „Was wäre, wenn wir statt nach Abgrenzung und Unterschieden, nach Verbindungen und Gemeinsamkeiten suchen würden?“

Beispiel gefällig? Die ganze Fantasiewelt der beiden Akteure lässt sich in dieser aberwitzige Beschreibung zusammenfassen:

„Markus schüttelt die Hand vom Großmufti. Und während ein paar Nonnen zur Sonntagsmesse gehen und die Glocken läuten über der Stadt, holt sich die muslimische Feiergemeinschaft Brot, setzt sich in die Cafés, trifft Freunde und Familie. Es ist sechs Uhr in der Früh, die ganze Altstadt ist in eine einzige Wasserpfeifen-Wolke gehüllt.“
Und doch, so einfach könnte das Zusammenleben sein.

Share
Share this Post