Corona-Tagebuch: Zu Besuch beim Wilden Mann

Christina/ Oktober 26, 2020/ Alltagsgeschichten

Wanderfreunde aufgepasst: Heute habe ich einen Tipp der besonderen Art für euch. Bei dieser Wanderung kommen selbst eingefleischte Harzfans ins Schwärmen, die eigentlich schon alles gesehen haben: die Grüne Runde oberhalb von Wildemann. Und wer nach diesem Augenschmaus noch einen Nachtisch möchte, dem empfehle ich den bergbaugeschichtlichen Rundwanderweg oberhalb von Lautenthal, das nur wenige Kilometer von Wildemann entfernt ist. So haben wir es jedenfalls gemacht und jede Minute genossen.

Wo die Wilden Männer wohnen
Meine erste Begegnung mit der Bergstadt Wildemann hatte ich vor vier Jahren im Zuge meiner Stempeljagd für die Harzer Wanderkaiserin. Die Stempelstelle Prinzenlaube befindet sich oberhalb des Ortes und sowohl die Aussicht während des Aufstiegs als auch der Blick von der Schutzhütte selbst sind absolut empfehlenswert. Bereits damals war mir klar, dass ich unbedingt noch einmal wiederkommen möchte. Nun hat es vier Jahr gedauert.

Historischer Fakt am Rande: Der Name „Wildemann“ leitet sich vom Bergbau ab: „Wildemann“ hieß eine Grube im Erzgebirge. Bergleute, die von dort zum Arbeiten nach Wildemann kamen, haben den Namen sozusagen importiert.

Das Symbol des kleinen Wilden Mannes
Wir parken am Kurpark von Wildemann und wandern zunächst in Richtung Schwimmbad. Von dort ist der Weg ausgeschildert mit das Symbol des kleinen „Wilden Mannes“ in einem grünen Kreis. Auf dem Halben-Höhen-Weg geht es gleich bergauf ins Stuffental. Kaum haben wir die Wassertretstelle passiert, kommen wir an der ersten Kurve bereits ins Staunen: Wildemann in seiner ganzen Pracht liegt vor uns. Besonders auffällig ist der Bau der schönen Maria-Magdalenen-Kirche, die den Ortskern dominiert.

Wir bleiben fasziniert stehen und unterbrechen die Wanderung für eine ausgiebige Fotosession. Wieder einmal erkennen wir: das Gute liegt so nah!

Steil, steiler, Prinzenlaube
Der schmale Pfad hoch zur Prinzenlaube hat es wirklich in sich. Wir gehen auf dem Ernst-August-Stieg und erklimmen den Badstubenberg. Wir kommen ganz schön ins Schwitzen, aber die Mühe lohnt sich. An der Schutzhütte schnaufen wir erstmal richtig durch und nehmen einen ordentlichen Schluck aus der Wasserpulle.

Von der Laube aus ist die weitere Ausschilderung nicht ganz eindeutig. Hier kommen wir mit einem „Stempeljäger“ ins Gespräch, der uns mit digitaler Unterstützung weiterhilft, es geht zunächst nach rechts. An der nächsten Kreuzung ist nochmals gute Orientierung gefragt, danach ist die Ausschilderung wieder eindeutig.

An der Juliaquelle (wer immer diese Julia ist?) schießen wir noch ein Foto, dann geht es auf den Hohen Berg. Von dort wandern wir hinunter zum ehemaligen Bahnhof von Wildemann. Unterwegs bleiben wir immer wieder stehen, um weitere Aufnahmen von der bezaubernden Umgebung zu machen. Langsam wird mir deutlich, warum Wildemann und seine Umgebung auch als „Klein Tirol“ bezeichnet werden.

Die Variante: Wilder Mann mit Wasserschlauch
Wieder im Ort angekommen erreichen wir die freiwillige Feuerwehr, die auf der Hauswand aus dem „Wilden Mann“ einen wilden Feuerwehrmann gemacht hat. Hier hat die Symbolfigur anstelle einer Keule einen Wasserschlauch in der Hand („Ein Schelm, der Böses dabei denkt“). Wir überqueren einmal die Hauptstraße und biegen an der nächsten Ecke nach links. Über einen leichten Anstieg erreichen wir das Gitteldschen Tal. Hier treffen wir auf zwei Stationen des Wildemanner Mundartweges, eine schöne Idee, um die Sprache der Oberharzer Bevölkerung kennenzulernen.

Wir überqueren die Wiesen des Gallenbergs und machen im Pavillon, der Schützhütte, eine kurze Rast. Die Aussicht über die Landschaft, die bis hinunter in den Ort reicht, ist wirklich herrlich uns selbst hartgesottene Wanderer werden hingerissen sein. Nur schwer können wir uns von dieser Augenweide losreißen, aber auf uns wartet ja noch etwas Scharfes!

Am Scharfen Eck
Vom Pavillon aus folgen wir dem Silberkammerweg und erreichen einen weiteren Aussichtspunkt. Und dann kommt es: Über den steilen Abstieg des Ameisenweges erreichen wir das „Scharfe Eck“. Nein, hierbei handelt es sich nicht um eine abgerockte Kneipe im Rotlichtviertel. Was nun das „Scharfe“ an diesem Eck ist? Nun, ich weiß es nicht. Nichtsdestotrotz haben wir von hier oben einen wundervollen Blick auf den Gallenberg, vielleicht ist das scharf?

Weiter geht es talabwärts bis zum Abzweig des Drei-Jungen-Weges. Wir haben Wildemann fast schon wieder im Blick. Wir überqueren nochmals die Innerste, wenden uns nach links und gehen ein Stück auf dem Innerste Radweg. Dort biegen wir jedoch, diesmal wirklich scharf, rechts ab und nehmen den Anstieg oberhalb der alten Rodelbahn und erreichen schließlich den Panoramaweg am Hüttenberg.

Kein Café in Sicht
Wieder in Wildemann möchten wir noch einen gepflegten Kaffee trinken. Bereits bei der Ankunft im Ort hatte ich festgestellt, dass hier eine äußerst magere Auswahl zur Verfügung steht. Das einzige Café, das geöffnet hat, „lockt“ mit weißen Kunststoffstühlen direkt an der Hauptstraße. Das ist wirklich schade, weil der Ort so nett ist. Ein hübsches Café, liebevoll eingerichtet, könnte hier bestimmt Abhilfe schaffen und dem Ort sicherlich auch den einen oder anderen Gast bescheren.

Wir entscheiden uns dazu, einen Ort weiterzufahren, und Lautenthal eine Chance zu geben. Wir kommen am Bergbaumuseum und am Schnitzelkönig vorbei. Klar, die XXL-Ware geht immer, hier kreist der Auto-Corso der Fleisch-Fans, hier steht man Schlange, um sich das begehrte Produkt einzuverleiben. Noch ist das ja erlaubt!

Zu Gast bei Zwergen
Uns verschlägt es in den Ortskern der Stadt, immer noch auf der Suche nach einem Café. Hm, das ist nicht so einfach. Hier scheint doch eher Grobes als Feines angesagt zu sein. Aber Halt: Auf einer Schiefertafel werden Windbeutel angepriesen. Na bitte, wo es Kuchen gibt, gibt es sicherlich auf Kaffee. Mit dieser Überlegung betreten wir mutig das Zwergenstübchen und hier ist der Name Programm: Gartenzwerge und Co. soweit das Auge blickt. Es wird eine Liebe auf den zweiten Blick, denn zunächst fordert uns die resolute Wirtin gleich am Eingang zur Gaststätte auf, unsere Kontaktdaten abzugeben. Aha, wir schlucken kurz, hier herrscht ein strenges Regiment.

Auf den zweiten Blick entspannt sich aber die Lage. Dem sehr freundlichen und ein wenig schüchternen Keller (der eigene Spross?) gelingt es, uns nach der Übergabe der vierten (!) Getränke- und Speisekarte davon zu überzeugen, dass man neben Herzhaftem auch Süßes im Angebot habe. Ich bestelle wie immer mein Damengedeck, Christian erfreut sich an einem überdimensionalen Windbeutel mit Schoko- und Kirschsoße. Der Wirt versucht mir mit einer Teleskopgabel das „Mitessen“ schmackhaft zu machen, ich bleibe aber lieber bei meiner weniger zuckerhaltigen Auswahl.

Beim Zahlen gesellt sich die resolute Wirtin zu uns, die sich im Gespräch als sehr nett und hilfsbereit entpuppt. Wir möchten noch eine kleine Runde drehen, da empfiehlt sie uns den Aufstieg zum Maaßener Gaipel.

Working in a coal-mine
Nach der Stärkung gönnen wir uns ein paar weitere Höhenmeter. Vorbei am kleinsten Haus des Westharzes steigen wir über den Kranichsberg zum Maaßener Gaipel auf und folgen dem Bergbau Lehrpfad. Je höher wir steigen, desto schöner ist die Aussicht auf den Ort. Und wieder steht eine Kirche im Mittelpunkt des Geschehens: die Paul-Gerhardt-Kirche.

An einer „Dennert-Tanne“ am Wegesrand müssen wir doch sehr schlucken. Hier erfahren wir nicht nur etwas über die Klaub- und Scheidehäuser sondern auch über die damaligen Arbeitsbedingungen. Hier lesen wir, dass die Bergbau-Azubis seiner Zeit einen 12-Stunden-Tag hatten und am Samstag noch zur Schule gehen mussten (Sonntags dann vermutlich in die Kirche). Da haben sich die Zeiten doch zum Guten gewandelt. Aber klar, was sollte man damals schon ohne Fernsehen und Social-Media den ganzen Tag machen?

Oben an der Gaststätte Maaßener Gaipel genießen wir noch einmal den Panoramablick über Lautenthal. Dann folgen wir dem Rundwanderweg und gehen schließlich entlang des Lautenthaler Kunstgrabens wieder zurück in den Ort.

Das war ein absolut fantastischer Tag, den ich sicherlich nicht so schnell vergessen und wie ein Kleinod in meinem Bewusstsein behalten werde, denn, der nächst Lockdown kommt bestimmt.

Noch zur Info für Wanderwillige:
Die „Grüne Runde“ ist nach offiziellen Angaben 14 km lang und es sind 820 HM zu bewältigen. An anderer Stelle habe ich einen Höhenunterschied von 530 Metern gefunden. Vermutlich liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Die Runde oberhalb von Lautenthal ist ungefähr 4 km lang, auch hier sind ein paar Höhenmeter zu überwinden. Insgesamt absolviert man mit beiden Strecken ein tolles Training. Die Mühe wird mit den tollen Ausblicken mehr als belohnt.

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