Corona-Tagebuch: An der wilden Ilse

Christina/ September 20, 2020/ Alltagsgeschichten

In diesem Corona-Sommer ist Deutschland definitiv zur Sportnation geworden. In der Stadt und auf dem Land Fahrradfahrer soweit das Auge reicht. Im Harz ist nun das Wandern das liebste Hobby des deutschen Ausflüglers. Selten habe ich den Wanderparkplatz in Ilsenburg, den sogenannten Blochauer, so voll besetzt gesehen. Auch der Weg auf den Brocken, der Heinrich-Heine-Weg, ist gut frequentiert. Das letzte Mal bin ich den Weg in 2016 gegangen, da hat sich ein ganz anderes Bild gezeigt. Fest steht, das Wandern ist längst nicht mehr nur des Müllers Lust.

Auf zur wilden Ilse
Ich muss es schon gar nicht mehr erwähnen, das Wetter ist mal wieder fabelhaft. Zwar ist es morgens kühl, aber schnell erwärmt sich die Luft und die Sonne sorgt für ein wunderschönes Farbenspiel im Wald und im Wasser. Wir sind an der wilden Ilse. Der Weg führt vom Wanderparkplatz Blochhauer nach kurzer Zeit zur wilden Ilse, dem schönen Flüsschen im gleichnamigen Tal. Ca. 50 % des Heinrich-Heine-Wegs führen durch eine wildromatische Landschaft, begleitet vom stetigen Rauschen der Ilse. Das macht diesen Brockenaufstieg besonders schön.

Nach den Ilsefällen bzw. an der Bremer Hütte trennt sich die Spreu vom Weizen: nicht alle Wanderer setzen den Weg zum Brocken fort. Es geht nun weiter auf dem Hermannsweg, vorbei an der Hermannsklippe und dann rauf auf den Plattenweg. Die letzten 2,5 km auf dem Brocken sind immer die schwersten, nicht wegen der Steigung, sondern wegen des eintönigen Betonweges.

Dichtes Gedränge auf dem Brocken
Wir hatten es bereits geahnt, es ist voll auf dem Brocken. Die Besucher kommen aus allen Richtungen: von Ilsenburg, von Bad Harzburg, mit der Schmalspurbahn. Wir drehen nur eine kurze Runde, dann suchen wir uns ein ruhiges, windstilles Plätzchen unterhalb der höchsten Erhebung des Harzes und machen unser Picknick. Nach einer Stärkung und einem Sonnenbad machen wir uns auf den Rückweg. Vom Plattenweg aus entdecken wir noch den schönen Blick auf den Eckerstausee. Wir passieren nochmals die Hermannsklippen, steigen den Hermannsweg vorbei an der Stempelbuche wieder hinab und erreichen erneut die Ilse.

Roter Teppich aus Nadeln
Wir schauen auf den Boden. Alles voll mit Nadeln der toten Bäume ringsherum: auf der Erde, auf den Steinen und auf dem Wasser. Auf dem Wasser sehen die dicht zusammenstehenden Nadeln wie ein Ölteppich aus. Auf den Steinen wirken die Nadeln wahlweise wie brauner Puderzucker oder roter Paprika, je nach Sonneneinstrahlung. Wir sehen viele tote Bäume an diesem Tag, viele Bäume. Wie es hier wohl in den nächsten Jahren mit dem Waldbestand weitergehen wird? Wir wissen es nicht und hoffen das Beste, ganz im Sinne von Heinrich Heine, dem Namensgeber dieses schönen Wanderwegs: “Ja, ich sage es bestimmt, unsere Nachkommen werden schöner und glücklicher sein als wir.”

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