Ein Wintermärchen im Harz

Christina/ Februar 27, 2023/ Alltagsgeschichten

Bereits vor einem Monat haben wir den Wochenendtrip in den Harz gebucht. Für die beiden Tage habe ich mir Schnee gewünscht. Auch wenn ich kein Freund von großer Kälte bin, gibt es für nichts Romantischeres als den verschneiten Harz. Und tatsächlich geht diese Sehnsucht in Erfüllung. Pünktlich zum Aufstieg auf den Brocken verwandelt sich die malerische Landschaft des Harzes in ein Wintermärchen. Und so sagenhaft wie es beginnt, geht es an beiden Tagen weiter.

Eine magische Schneelandschaft
Für diesen Samstag haben wir uns einiges vorgenommen. Von Bad Harzburg (Berliner Straße) soll es über den Burgberg, das Molkenhaus, die Eckertalsperre und den Scharfenstein auf den Brocken gehen. Soweit ich weiß, ist das die herausforderndste Strecke auf die höchste Erhebung des Mittelgebirges.

Bereits der Weg auf den Burgberg bringt den Körper auf eine angenehme Temperatur. Jetzt sind wir aufgewärmt. In Höhe des Molkenhauses beginnt es mit der weißen Pracht. Hier ist der Schneefall des vergangenen Tages liegen geblieben. Über die Wiese herunter zur Ecker ist schon alles weiß. Herrlich, wie der harschige Schnee unter den Füßen knirscht. Hier finden sich nur wenige Fußspuren, sodass die Umgebung in ein fast jungfräuliches Weiß getaucht ist. Auf dem weiteren Weg bin ich immer wieder davon fasziniert, auf welchen dünnen Ästen sich der Schnee hält und einzigartige Formationen bildet.

Es glitzert und schimmert immer wieder dort, wo sich die Sonne von Zeit zu Zeit ihren Weg durch die Wolken bahnt und auf die Eiskristalle fällt. Schnell hat die weiße Pracht auf den Tannenbäumen ein bizarres und faszinierendes Bild geschaffen. Wie große Tatzen wirken die Äste der Nadelbäume.

Das erste malerische Bild mache ich an der Eckertalsperre, die gut gefüllt ist. Hier fühlen wir uns fast wie an einem norwegischen Fjord. Bei dem Überqueren der Brücke von Niedersachsen nach Sachsen Anhalt ist jedoch Vorsicht angesagt. Der immer wieder auflebende Wind hat hier stellenweise eisglatte Passagen hinterlassen. Hinter uns reißt plötzlich der Himmel auf und schafft ein blaues Band, das uns ein Stückchen begleitet.

Vorsicht wandernder Pumakäfig
Kurze Zeit später erreichen wir den Scharfenstein, die letzte Bastion, bevor es den Kolonnenweg steil hinauf zum Brocken geht. Wir kehren für eine kurze Rast ein, um nochmals alle Kräfte zu sammeln. Ein junges Pärchen und eine Mädelsgruppe sitzen bereits in dem kleinen Gastraum. Wir lassen uns am Tisch des Pärchens nieder, ordern Bier, Apfelsaftschorle und Bockwurst.

Draußen fängt es nun kräftig an zu schneien. Ich bin begeistert, das wird ein richtiger Winterspaß. Vor allen Dingen freue ich mich, dass der hässliche Kolonnenweg nun schneebedeckt ist und der löchrige Beton somit verdeckt ist. Gerade als die Mädchentruppe aufbrechen will, geht die Tür auf und ein Männerpulk stürmt in die Hütte. Mit einem Schlag ist es vorbei mit der besinnlichen Ruhe. Es wird laut, ruppig und vor allem stinkt es wie im Pumakäfig, als sich die Herren ihrer Jacken entledigen und der Schweißgeruch der synthetischen T-Shirtfasern freie Bahn bekommt. Höchste Zeit zum Aufbruch.

Vom Winde verweht
Wir nehmen die letzte Etappe auf den Brocken in Angriff. Dieser Teil des Weges hat es wirklich in sich. Nicht nur, dass auf einer Strecke von 3,5 km 300 Höhenmeter zu überwinden sind. Ein immer wieder auffrischender Wind weht uns um die Nase und treibt die Flocken ins Gesicht. Mir ist klar, dass der Aufstieg eine Herausforderung sowohl für die Oberschenkel als auch für die Waden ist. Der Weg wird immer beschwerlicher, je weiter wir vorwärtskommen. Zum Glück sinken wir mit unseren Wanderschuhen nicht ein, da der Schnee sehr griffig ist. Trotzdem bin ich froh, meine Wanderstöcke dabei zu haben. Es sind nicht viele Leute, die uns unterwegs begegnen. Wir überholen die meisten, obwohl ich mehrfach stehenbleibe, um die verschneiten Tannenbäume zu fotografieren.

Da die Sicht immer schlechter wird, haben wir auch kein Gefühl mehr dafür, wie weit es noch bis zum Gipfel ist. Mit dem Schneegestöber, dem kräftigen Wind und der schlechten Fernsicht fühlen wir uns wie auf einer Nordpolexpedition. Tapfer kämpfen wir uns vor. Als wir das Schild entdecken, das uns mitteilt, dass wir auf 1.000 Höhenmetern sind, wissen wir, dass es nicht mehr weit bis zum Gipfel ist. Es ist überraschend, dass das Schild überhaupt noch zu lesen ist – alle anderen Wegweiser sind komplett zugeschneit.

Nach gut 50 Minuten taucht schemenhaft das Brockenhaus vor uns auf. Wir sind da. Wir schleppen uns die Treppe hoch und sind überrascht, dass auf dem Gipfel doch einiges los ist. Ein paar Leute sind mit der Schmalspurbahn gekommen, andere haben es über den Goetheweg geschafft.

Gegen den heftigen Wind gestemmt, bewegen wir uns zum Gipfelstein. Hier geben sich die Besucher sprichwörtlich die Kamera bzw. das Handy in die Hand, um sich als Beweis vor dem Aufdruck „1.141 Meter Höhe“ fotografieren zu lassen. Mir ist zum einen der Andrang zu groß, zum anderen sind meine Hände dabei einzufrieren. Wir machen uns an den Abstieg über den Goetheweg zum Torfhaus.

Ein Unimog im Graben
Auf dem asphaltierten Wanderweg strömen uns die Massen entgegen. Hier sollte man Vorsicht walten lassen, da der Untergrund gefroren und damit sehr rutschig ist. Ein Stückchen unterhalb der Spitze spielt sich heute die eigentliche Attraktion ab. Wir sehen einen Schneepflug, der etwas ungewöhnlich parkt. Als wir näher herankommen sehen wir, dass der Unimog im Graben liegt. Jeder, der vorbeikommt, bleibt stehen und schießt ein Foto.

Wir biegen rechts von der Asphaltstraße ab und folgen den Schienen der Harzer Schmalspurbahn. Plötzlich hören wir aus der Ferne ein schnaufendes Geräusch. Das kann ja nur die Bahn sein, die sich den Berg hinaufschleppt. Und genauso ist es. Eine riesige schwarze Rauchwolke zeugt davon, wie schwer die Dampflok an diesem Tag arbeiten muss. Umfeldfreundlich sieht dieses schwere schwarze Gebilde für mich nicht aus.

Wir stapfen weiter durch den Schnee, der immer noch kontinuierlich fällt. Der Boden ist nun gut bedeckt, eine riesige weite Fläche liegt vor uns. Kurz nach 15 Uhr, knapp sechs Stunden Gehzeit, 25 Kilometern Strecke und 1021 Höhenmetern erreichen wir Torfhaus. Wir haben wieder Glück, unser Bus fährt in 10 Minuten.

Jagdschloss Windenhütte: Im Zeichen des Hirsches
Von Bad Harzburg fahren wir direkt zu unserem Hotel in der Nähe von Altenbrak. Wir biegen in einen Waldweg ab. Über viele Schlaglöcher geht es zum Jagdschloss Windenhütte. Hier haben wir eine Übernachtung und ein Candle Light Dinner gebucht. Ein bisschen habe ich mich vorab gewundert, dass das dazugehörige Restaurant um 19 Uhr schließt. Ich dachte mir aber das gilt nicht für Hotelgäste. Wir treffen gegen 16:45 Uhr ein und wollen uns eigentlich eine Stunde auf’s Ohr legen. Nachdem wir allerdings erfahren, dass um 17:30 Uhr die letzte Möglichkeit zur Nahrungsaufnahme besteht, wird das nix.

Wir sind erstmal ein wenig verdutzt, weil die Unterkunft sprichwörtlich im Nirgendwo ist und wir uns fragen, was man in der Zeit nach 19 Uhr hier macht. Da es weder eine Hotelbar noch ein Kaminzimmer oder ähnliches gibt, kann man sich ja nur im Zimmer aufhalten. Was wir erstmal komisch finden, stellt sich anschließend als Glücksfall heraus. Als hübschen wir uns ein wenig auf und betreten das Restaurant, das an diesem Abend gut gefüllt ist. Wir haben ein Drei-Gänge-Menü bestellt. Da ich Vegetarierin bin, gibt es für mich Flammkuchen. Das haut mich erstmal nicht vom Hocker. Vorweg ordere ich einen Aperol Spritz, da kommt auch schon die Vorspeise. Ein Pastinaken-Möhren-Süppchen mit Croutons, das ganz hervorragend schmeckt.

Anschließend geht es für mich mit einem Flammkuchen, belegt mit Spinat, Tomaten, Pilzen und Käse weiter. Holger bekommt die Wildroulade. Ich bin überrascht, wie gut so ein Flammkuchen schmecken kann. Der Boden ist hauchzart, der Belag sehr lecker. Ich bin begeistert und allerdings auch nach dem zweiten Gang gesättigt. Nur ein paar Minuten später steht die verführerische Nachspeise auf dem Tisch: Schokoladenmuffin, Sahne und Vanilleeis. Obwohl die Portion recht klein ist, habe ich Mühe alles zu schaffen. Anschließend bin ich sehr satt, aber nicht unangenehm. Auf das Zimmer nehmen wir noch eine Flasche Sekt und Pralinen mit.

Ein Glas Sekt schaffen wir noch, dann liegen wir auch schon wie betäubt auf dem Bett. Innerhalb weniger Minuten sind wir selig in den Schlaf gefallen. Gut, dass es so früh Essen gab!

Auf dem Köhlerweg
Am nächsten Morgen gönnen wir uns noch das leckere Frühstückbuffet, bevor wir zu Abschlusswanderung aufbrechen. Draußen scheint die Sonne, ein paar Flocken fallen und die Schneedecke auf dem Balkon glitzert in den Strahlen. Wir starten direkt am Jagdschloss und wandern zunächst nach links in Richtung Hasselfelde. Auf der Landstraße biegen wir in einen Forstweg ein, der uns zum Stemberghaus führen soll. Der Pfad ist ziemlich ausgefahren von den Waldarbeiten. Je weiter wir vordringen, desto unwirtlicher wird der Weg. Wir überqueren einen kleinen Bach, dann geht’s bergauf. Nach einer Weile sind wir auf dem Köhlerweg, der uns direkt zur Hütte führt.

Das Stemberghaus ist unser heutiger Wendepunkt. Von dort aus folgen wir dem Harzer-Hexen-Stieg und wandern zur Schöneburg mit dem wundervollen Blick auf Altenbrak. Ab dem Stemberghaus begleitet uns die Sonne. Wieder wird die Landschaft in ein herrliches Licht getaucht und die kleinen Schneekristalle blitzen nochmals wie Diamanten. Nach einer kurzen Pause auf der Schutzhütte geht es auf steilen Pfaden hinunter nach Altenbrak. Im Ort biegen wir an der Bode rechts ab und sind auf dem direkten Weg zurück zum Jagdschloss. Diesmal haben wir 16 Kilometer zurückgelegt und 350 Höhenmeter bezwungen. Wir blicken auf ein perfektes Harzwochenende mit reichlich Schnee in den Höhenlagen zurück.

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