Corona-Tagebuch: Radpilgern für Heldinnen

Christina/ August 31, 2020/ Alltagsgeschichten

Mein kleiner Schwarzer steht unruhig im Keller, er braucht Auslauf, er will eine Spritzfahrt machen. Okay, ich will es ja auch. Nach der etwas durchwachsenen Erfahrung des Vortages mit unserer Tour zum Salzgittersee will ich heute einen zweiten Versuch starten und auf den Wegen des Braunschweiger Jakobswegs zunächst nach Lengede und vielleicht bis nach Hoheneggelsen fahren.

Die Markierung des Pilgerweges (weiße Muschel auf blauem Hintergrund) hatte ich mal zufällig beim Joggen im Westpark entdeckt. Ein Blick auf die dazugehörige Internetseite hat mir dann verraten, dass es einen Etappenabschnitt Braunschweig-Hildesheim gibt, der u.a. – ihr vermutet es vielleicht schon – durch Lengede führt.

Von der Baustelle überrascht
Gemäß der Beschreibung starte ich also in Alt-Lehndorf, direkt an der Pilgerkirche. Von dort geht es durch den Westpark zunächst nach Klein-Gleidingen. Auf verschlungenen Pfaden, meistens auf Feldwegen und überraschend gut ausgeschildert, komme ich zuerst nach Denstorf und von dort erreiche ich Vechelde. Ich fahre durch den Ort und entdecke einen Buddha am Wegesrand. Ich nehme die Figur als Zeichen der Entspannung wahr, lächle und fahre gemütlich weiter. Allerdings ist es kurze Zeit später mit der Gemütlichkeit zu Ende. Der Ortskern, also die Durchfahrtsstraße, ist eine reine Baustelle. Das hat leider zur Folge, dass die Ausschilderung für die Fortführung des Pilgerweges fehlt und ich deshalb auf den Radweg Richtung Lengede ausweichen muss. Wieder muss ich an der Straße entlang fahren.

Über Köchingen geht es nach Liedingen. Von dort gelange ich nach Bodenstedt. Ach, hier sind die ZeitRäume, da war ich vor zwei Jahren mal. Und hey, in Bodenstedt entdecke ich wieder die Ausschilderung für den Pilgerweg. Was für ein Glück, dann kann es ab hier ja wie geplant weitergehen. Ich folge also wieder der blau-weißen Ausschilderung. Hm, der Pilgerweg verläuft auf der Landstraße? Ah, aber nur ein kurzes Stück, dann geht es erneut auf einen Feldweg. Es sieht zunächst so aus, als würde der Weg in den Wald münden, aber, was ist das denn, hier geht es ja im Zickzack zurück zur Straße? Ich bin verwirrt und entscheide mich kurzentschlossen, den einen verbleibenden Kilometer bis zur nächsten Kreuzung auf der Straße weiterzufahren, ist ja eh nichts los. An der Straßenkreuzung entdecke ich zunächst kein Pilgerschild und fahre erstmal geradeaus in Richtung der Lengeder Teiche. Jetzt habe ich ein Déjà vu, denn hier sind wir bereits gestern auf dem Rückweg entlang gefahren und wie durch eine glückliche Fügung stoße ich auch wieder auf den Braunschweiger Jakobsweg. Aus dem Waldstück heraus komme ich nochmals an der Gedankstätte des Grubenunglücks Lengede vorbei. Jetzt weiß ich wieder, wo ich bin.

Fachwerkhäuser in Lengede
Der Pilgerweg führt mich durch den Ort. Ich bin erstaunt, ich hätte gar nicht erwartet, dass Lengede doch ein paar nette Wohngebiete hat. Hm, da hat sich das Radpilgern doch gelohnt. Die Ausschilderung führt mich aus dem Ort heraus. Ich entschließe mich dazu, nicht mehr bis Hoheneggelsen zu fahren. Stattdessen halte ich Kurs auf Groß Lafferde und will von dort zurück nach Braunschweig.

Der Feldweg führt mich zunächst zu einer Schafherde, die aufgeregt zusammenrückt als sie mich herankommen hört. Nachdem der aufgeschreckte Haufen merkt, dass von mir keine Gefahr ausgeht, entspannt sich die Gruppe wieder und geht weiter ihrem Geschäft nach: Gras fressen. Vor mir ist der Weg plötzlich zu Ende und scheint ins Nichts zu führen. Ich drehe also um und fahre oberhalb auf dem Radweg nach Klein-Gleidingen. Von dort geht es zurück nach Bodenstedt. Hier angekommen biege ich am Ortsausgang in den Radweg Richtung Wendeburg, der wiederum ein Feldweg ist. Unterwegs verliert sich der Weg allerdings.

Ziege auf umgedrehten Eimer und Männer aus Stahl
Ich komme wieder auf die Straße und wähle den Radweg direkt nach Braunschweig. Jetzt muss ich zwar wieder auf der Straße fahren, diese ist aber wenig belebt. Ich komme nach Wierthe und fahre von dort nach Sonnenberg weiter. Am Ortsausgang habe ich noch eine nette Begegnung mit ein paar Ziegen, eine davon schläft zusammengerollt auf einem umgedrehten Eimer, die anderen schauen mich neugierig aus ihrer Behausung an. Ich grüße kurz und fahre weiter.

Von Sonnenberg geht es immer geradeaus Richtung Timmerlah. Ach ja, an der Kreuzung zwischen Timmerlah und Groß-Gleidingen erkenne ich die Strecke auch wieder, hier bin ich ja doch recht oft unterwegs. Jetzt geht es gleich wieder Richtung Westpark, denke ich. Aber, Moment, was ist das denn da am Straßenrand? Ein hellblauer Trabbi erregt meine Aufmerksamkeit. Oh, denn muss ich unbedingt für meine Freundin fotografieren. Für das Foto gehe ich näher an das Auto. Was ist das denn? Die Rückscheibe des Autos ziert ein Spruch: „Männer aus Stahl fahren Autos aus Pappe.“ Ach ja, interessant, diese gestählten Burschen hätte ich ja mal gerne gesehen. Und weiter unten entdecke ich auf dem Auto noch den Aufkleber „Held der Arbeit“. Nun das lässt sich ja leicht in „Heldin des Radpilgerns“ ummünzen und so fühle ich mich heute auch.

Geschichtsträchtiges Timmerlah
Gut gelaunt geht es Richtung Timmerlah. Dort komme ich noch an einer Geschichtstafel vorbei, die darauf hinweist, dass hier mal Friedrich W. Cramm gewohnt hat. Ich lese mir seinen Werdegang durch und finde es gut, dass es solche Informationsschilder zur Geschichte der Stadt Braunschweig und des Umlandes gibt.

Damit beende ich einen schönen Ausflug. Auch wenn mir das Radpilgern aufgrund der Baustelle in Vechelde nicht durchgängig gelungen ist, so finde ich die Streckenführung doch um einiges schöner als die Radwege nach Lengede und darüber hinaus hergeben. Also, warum nicht mal Radpilgern für Heldinnen?

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