Corona-Tagebuch: Helmstedt’s Stonehenge

Christina/ Juli 12, 2020/ Alltagsgeschichten

Ich hab es schon oft gesagt, ich sag’s noch öfter: Die Corona-Zeit kann auch Positives bewirken. So hat sie mir meine niedersächsische Heimat in den letzten Wochen näher gebracht. Kennt ihr schon das niedersächsische Stonehenge oder das ehemalige Zisterzienserkloster in Mariental-Dorf? Vielleicht habt ihr auch mal Lust in ein naturnahes Freibad zu gehen oder einfach mal eine Mauer zu sehen, die es zum Weltkulturerbe geschafft hat? Dann empfehle ich euch diese Stadt: Helmstedt.

Es ist mein zweiter Vergangenheitsbesuch in Helmstedt. Drei Highlights habe ich mir für den heutigen Tag vorgenommen: Das Waldbad Birkerteich, das Kloster Mariental und das Großsteingrab Lübbensteine. Noch ahne ich nicht, dass es ein gewaltiger Fußmarsch mit interessanten Begegnungen wird.

Bitte nicht pinkeln
Vom Bahnhof Helmstedt geht es zunächst über die historische Wallanlage Richtung Walbecker Straße. Gleich zu Beginn des Langen Walls, Ecke Magdeburger Straße und in der Nähe des Lokals “La Vida Loca” (zu Deutsch: das wilde Leben), werde ich mit den “Pinkelstopp-Schildern” konfrontiert. Ich finde es gut, dass der Besitzer des Grundstücks zumindest seinen Humor behalten hat, denn mit diesem Problem mag schon so mancher Eigentümer konfrontiert worden sein: Nachtschwärmer erleichtern sich vor seinem Anwesen! Allerdings muss ich dann doch ganz schön über die beiden Schilder schmunzeln, die mich an diesem Samstag auf dem Langen Wall in Helmstedt begrüßen: “Bitte nicht pinkeln” und “Diese Mauer ist Weltkulturerbe” heißt es da. Ist das nun originell oder verzweifelt, frage ich mich.

Auf der Höhe der historischen Stadtmauer entdecke ich einen Park jenseits des Langen Walls, den ich noch nicht kannte. Ich mache einen kleinen Abstecher und somit einen Rundgang durch die Walpurgisstraße. Ich erfreue mich ein wenig an den restaurierten Fachwerkhäusern und deren Sandsteinemblemen. Von dort geht es dann aber stramm in Richtung meines ersten Ziels: dem Waldbad Birkerteich. Das schöne Freibad geht zurück auf den Helmstedter Badeverein 1873 e.V. und liegt in wirklich ansprechender, waldnaher Umgebung. Optisch hat sich hier nichts verändert. Ich erinnere mich, dass ich als Kind vor dem 5 Meter hohen Sprungturm doch einigen Respekt hatte. Wagemutige Herren der Schöpfung nutzten den Turm seinerzeit natürlich, um auf sich aufmerksam zu machen. Ob da so manche Ehe geschlossen wurde? Wer weiß.

Vom Dorf ins Kloster Mariental
Vom Waldbad aus passiere ich den Campingplatz Waldwinkel. Gleich gegenüber entdecke ich eine Fahrrad- und Wanderkarte der Region. Was für ein Glück. Auf der Karte sehe ich, dass ich mein nächstes Ziel, das ehemalige Zisterzienserkloster Mariental, prima über Waldwege erreichen kann. Beim Waldwinkel geht es links ab, dann überquere ich einmal die Landstraße (L642) und biege dann wieder rechts in den Wald. Dort wandere ich auf dem Lappwald Rundwanderweg 9 (Drillingskiefer-Rundweg) weiter.

Unterwegs frage ich einen Einheimischen nach dem Weg zum Kloster Mariental. Zunächst bin ich mir nicht sicher, ob der ältere Herr einen im “Kahn” hat oder nur etwas Bedenkzeit braucht. Aber, der Mann ist zum Glück ortskundig. Einmal links und an der nächsten Kreuzung rechts, schon bin ich auf dem Radwanderweg Richtung des Zisterzienserklosters. Nach 1,5 Stunden habe ich Mariental-Dorf schließlich erreicht. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich früher schon einmal am Kloster gewesen bin. Aber jetzt bin ich doch sehr positiv überrascht. Ich unternehme einen Rundgang über das Gelände und schaue mir auch die öffentlich zugänglichen Räumlichkeiten an, wie das Lapidarium, die Klosterkirche oder den Graffitiraum. Leider pressiert die Zeit ein wenig, denn ich will ja noch das Stonehenge Helmstedts besuchen!

Working at the car wash!
Ich frage ein freundliches Anwohnerpaar, ob es eine Busverbindung nach Helmstedt gibt. Der Mann erklärt mir, dass es sich dabei wohl um einen Schulbus handelt. Oh, sage ich, dann versuche ich mal mein Glück. Die beiden schauen mir mit einem verzweifelten Blick nach. Aber, alles wird gut, als ich an der Bundesstraße sehe, dass es wieder einen Radweg nach Helmstedt gibt und die Entfernung nur 6 km beträgt. Ha, ein wahrer Katzensprung für mich!

Ich genieße das schöne Wetter und gehe frohen Mutes Richtung Stadt. Kaum erreiche ich den Außenbezirk der Kreisstadt entdecke ich auch schon fleißige Männer und Frauen, die der Lieblingsbeschäftigung des Deutschen eifrig nachgehen. Richtig, ich komme an einer Autowaschanlage vorbei. Was soll man an so einem sonnigen Samstagnachmittag auch sonst machen? Ich erkundige mich nach dem Weg zu den Lübbensteinen und werde kundig beraten. Die Marientalstraße geradeaus runter, durch die Schwalbenbreite zum Real-Kauf (der ehemalige Place-to-be), vorbei am Kleingartenverein und schon sind Sie da.

Meeting Dr. Goldzahn
Da sich die auskünftige Dame ihrer Sache nicht ganz sicher zu sein schien, frage ich lieber noch einmal bei einem vorbeifahrenden Radfahrer nach. Der Fahrer des Drahtgestells, sichtlich erfreut über die unverhoffte Begegnung, mustert mich neugierig und lässt seinen Goldzahn blitzen. “Ach”, stellt er überrascht fest, “da wollen Sie jetzt noch hin und zu Fuß?” Dann bestätigt er die Aussage der Dame und schiebt keck hinterher: “Wo kommen Sie denn her?” Natürlich bin ich aka “Verrat-nix” und gehe lächelnd weiter.

Tja als ich dann am Realkauf vorbeikomme, werden alte Erinnerungen wach. Ob ihr’s glaubt oder nicht, die Eröffnung des Realkaufs in Helmstedt war seinerzeit DAS EREIGNIS. Freitagnachmittag hatte man dort nach dem Einkauf einen Kaffee beim Bäcker zu nehmen, um die Bagage beim Einkaufen beobachten zu können und natürlich gesehen zu werden. Tja, lang, lang ist’s her. An dieser Stelle gönne ich mir ein wenig Nostalgie bevor es zum legendären Großsteingrab am Ortsausgang von Helmstedt weitergeht.

Helmstedt’s Stonehenge
Aber wie komme ich da jetzt am besten hin? Wieder kann ein Ehepaar Abhilfe schaffen. Zwei Fahrrad-afficionados (natürlich auf einem E-Bike!) kreuzen meinen Weg. Ich frage nach den Lübbensteinen. Der Mann beginnt mir ausführlich den Weg entlang der Straße und durch den Kleingartenverein zu beschreiben, als er rüde von seiner besseren Hälfte unterbrochen wird: “Du darfst doch Frauen den Weg nicht so kompliziert erklären. Das verstehen die nicht!” What? Habe ich mich gerade verhört oder hat die Dame wirklich gerade gesagt, dass Frauen minderbemittelt sind? Ich grinse einfach nur. Dann erklärt SIE mir den Weg. Ähm naja, ich habe mich dann schließlich für die “männliche” Variante entschieden und die Lübbensteine auf Anhieb gefunden.

Oben angekommen erlebe ich wieder eine Überraschung, hier ist richtig was los! Egal, ob als Familienausflug oder Schnitten-Abschleppplatz, die Lübbensteine scheinen eine Attraktion zu sein. Und ja, ich muss zugeben, die Steine machen wirklich etwas her.

This is no ordinary love
Langsam senkt sich dieser sonnige Nachmittag seinem Ende zu. Eigentlich hatte ich mich auf eine ruhige und besinnliche Zeit an den großen Steinen gefreut, aber nun gut, es sollte nicht sein. Die Jugend halt! Es ist ja auch schon spät, Zeit, den Rückweg anzutreten. Zum Glück kenne ich mich in Helmstedt gut aus und kann den kürzesten Weg zurück nehmen. Über den Pastorenweg und die Conringstraße (vorbei an meinem ehemaligen Kinderarzt) geht es in Richtung des Alten Friedhofs, “meinem” ehemaligen Park. Die Johannesstraße, vorbei an der Bohnen-Klinik (hallo Lars!) führt mich zum Bahnhof.

Ich hätte selber nicht geglaubt, dass ich das mal sagen würde: aber, es war wieder ein schöner, ereignisreicher Besuch in good old Helmstedt!

Share
Share this Post