Corona-Tagebuch: Der Wolfi geht um!

Christina/ Mai 23, 2020/ Alltagsgeschichten

Im Oderwald heißt es: “Drah di net um, denn der Wolfi geht um!” So friedlich es in der Samtgemeinde ansonsten auch zugeht, im Forstinneren ist Vorsicht geboten, egal ob beim Wandern oder Joggen: der Wolfi geht um. Laut Warnschildern, die an einzelnen Bäumen angebracht sind, soll man bei der Begegnung mit dem Isegrim nicht die Flucht ergreifen, sondern in die Hände klatschen. Hm, diese Methode kenne ich eigentlich nur vom Gänse- oder Schwäneverscheuchen beim Joggen. Denn, wenn diese Tiere Junge haben, dann ist mit ihnen nicht gut Kirschen essen. Nun, da wir auf unserer Wanderung aber keinem Wolf begnet sind, wissen wir nicht, ob sich so ein Raubtier durch ein in die Händchen platschen vertreiben läßt. Aber das weiß ich: Die Runde im Oderwald lohnt sich auf jeden Fall.

Wo liegt denn der Oderwald?
Als ich am Mittwoch mit meiner Freundin telefoniere, um die Strecke für den kommenden Tag festzulegen, schlägt sie u.a. den Oderwald vor. Da werde ich hellhörig. Wo ist denn der Oderwald? Von dem hatte ich ja noch gar nicht gehört. Somit ist es am nächsten Tag meine erste Begegnung mit diesem Forst, der zu Wolfenbüttel gehört und damit nach kurzer Anfahrt von Braunschweig gut zu erreichen ist. Meine Freundin ist die Strecke schon öfters gegangen und kennt sich deshalb hervorragend aus. Am Parkplatz oberhalb von Heiningen angekommen, fällt uns linker Hand als erstes die Geschichts- und Erinnerungstafel auf. Hier wird einmal mehr die Unsinnigkeit von Kriegen und das damit verbundene Leid deutlich.

Von blinder Zerstörungswut
Vom Parkplatz überqueren wir die Straße (L512) und maschieren zunächst Richtung RuheForst Vorharz. Und da leuchten schon meine Augen auf, denn ich erspähe die Stempelstelle Nr. 15 (Monopteros Heningen, ehemals Friedwald in Heiningen/ Samtgemeinde Oderwald). Ich bin kurz davor, meinen Stempelpass voller Vorfreude zu zücken. Und wieder wird mir an dieser Stelle persönliches Leid zugefügt. Erneut war rohe Gewalt am Werk. In blinder Zerstörungswut ist mal wieder der Stempel entwendet worden. Ich kann nicht anders, sofort denke ich an Anton Chigurh und sein pneumatisch betriebenes Bolzenschussgerät, den psychopathischen Mörder aus dem Kinostreifen “No Country for Old Men” von den kongenialen Coen-Brüdern.

“Drah di net um, der Wolfi geht um!”
Wir streifen weiter durch den schönen Oderwald. Da fällt mir an einem Baum plätzlich ein Warnhinweis ins Auge: “Wölfe”! Oha, denke ich. Nur gut, dass ich nicht das Rotkäppchen bin! Weit und breit ist aber nichts Gefährliches zu sehen und so setzen wir unseren Weg fort. Nun wandeln wir auf dem Geopfad des (südlichen) Oderwaldes und erreichen das Naturdenkmal in Form eines ehemaligen Ziegeleiteiches.

Brockenblick inklusive
Wir streifen weiter durch den Wald und es durftet herrlich. Neben einem etwas strengeren aber nicht unangenehmen Bärlauchduft, steigt uns noch ein anderer, etwas süsslicher Geruch in die Nase von dem wir leider nicht wissen, woher er stammt. Kurz darauf verlassen wir den Wald und wandern über einen Feldweg Richtung Werlaburgdorf, das sehr idyllisch vor uns liegt. Oberhalb des Ortes gibt es einen kleinen Rastplatz am Gedenkstein der Wiedervereinigung. Das ist ein sehr schönes Plätzchen mit einem herrlichen Blick auf den Brocken, den Harly und den Salzgitter Höhenzug.

Nach diesem Genuss tauchen wir nochmals in den Oderwald ein. Wir beschreiten einen schmalen Pfad, der nochmals Blicke auf Werlaburgdorf freigibt. Eine halbe Stunde später sind wir wieder an unserem Auto. Der Oderwald hat mich überzeugt und ich bin sicher, dass es nicht meine letzte Begegnung mit diesem schönen Waldstück war.

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